Verführer der Nacht
beugte sich zu ihr vor. Seine Eckzähne waren deutlich zu sehen. »In deinen Körper. Ich werde dir dein Herz stehlen.«
Ihre Seele hatte er schon. Sie wusste es jetzt mit einer seltsamen Gewissheit, so wie sie immer schon Dinge gewusst hatte. Er besaß ihren Körper und ihre Seele. Aber er hatte immer noch nicht genug. Er wollte ihr Herz und ihren Geist. Colby schüttelte den Kopf. »Du kannst anscheinend nicht klar denken, Rafael. Überlass das Denken deinem Gehirn, nicht überaktiven Teilen deiner Anatomie. Im Ernst, was meinst du, wo das mit uns hinführen soll? Sei doch realistisch !« Sie umfasste mit einer weit ausholenden Handbewegung die Ranch und die hohen Berggipfel. »Du liebst Brasilien und den Regenwald. Dein Bruder und du wollt dorthin zurück. Ihr müsst dorthin zurück. Das hier ist meine Heimat. Es ist alles, was ich je gekannt habe. Ich muss es für Paul und Ginny erhalten. Ich habe einen Großteil meines Lebens darum gekämpft, diese Ranch am Laufen zu halten. Glaubst du wirklich, ich gebe das alles einfach auf und brenne mit einem Mann durch, den ich kaum kenne, nur weil wir tollen Sex haben ? Ich mag ein Land-ei sein, aber ich habe nicht nur Stroh im Kopf.«
Er trat näher zu ihr. Seine ganze Haltung wirkte plötzlich aggressiv. »Sei du lieber realistisch, Colby. Glaubst du wirklich, ich lasse das Einzige, was zwischen mir und dem Verlust meiner Seele steht, zurück? Zwischen mir und der ewigen Dunkelheit? Zwischen mir und dem Monster, das sich bei jedem Erwachen in mir regt, das mitten in der Nacht zu mir spricht und nach mir ruft, wenn ich jage und das Blut meiner Beute trinke? Ich werde dich nie aufgeben. Ich nehme dich mit, wenn ich in meine Heimat zurückkehre. Du wirst mich als meine Gefährtin des Lebens begleiten, ob du nun zustimmst oder nicht.«
Sie starrte ihn wütend an. »Du arroganter Mistkerl! Kriegen die Männer in Brasilien auf diese Art ihre Frauen?«
»Nein, so kriegen Karpatianer ihre Frauen. Die rituellen Worte sind ihnen von Geburt an eingegeben. Sowie ein Karpatianer seine Gefährtin des Lebens findet, kann er sie an sich binden, wenn sie sich weigert, zur Vernunft zu kommen. Auf diese Weise werden karpatianische Männer geschützt und unsere Spezies vor dem Aussterben bewahrt.«
Colby hatte den Geschmack von Angst im Mund. Er meinte es ernst. Und er war noch näher gekommen. Sie hatte nicht gesehen, wie er sich bewegt hatte, aber er war nur einen Atemhauch von ihr entfernt, und in seinen Augen lag ein schrecklicher Ausdruck. Sie war wie gebannt von der reinen Kraft seiner Persönlichkeit und konnte nicht den Blick von ihm wenden. Sie schluckte schwer und schüttelte den Kopf. »Nicht, Rafael. Versuch das nicht. Ich würde gegen dich kämpfen, und ich kann sehr zerstörerisch sein. Einer von uns könnte verletzt werden, und das will ich nicht, nicht nach allem, was wir geteilt haben. Ich habe nicht deine Selbstbeherrschung.«
Seine Finger legten sich sanft und ungeheuer kraftvoll zugleich um ihren Hals. Sie wusste, dass er ihr das Genick brechen könnte, wenn er wollte. »Dann kämpf nicht gegen mich, meu amor.«
Ein leiser Schauer lief ihr über den Rücken. Ihr Mund war trocken, und ihr Puls raste. Sie wich einen Schritt zurück. Rafael folgte ihr.
»Rafael.« Sie hörte ihren Protest über das Rauschen in ihren Ohren hinweg.
Plötzlich blieb er abrupt stehen, und seine Augen weiteten sich vor Überraschung. Gleichzeitig versetzte er ihr einen so kräftigen Stoß, dass sie buchstäblich abhob und durch die Luft segelte. Sie sah Blut aus seiner Brust schießen. Colbys Schrei brach unvermittelt ab, als sie so hart auf dem Boden landete, dass ihr die Puste ausging. Ein paar Meter von ihm entfernt beobachtete sie voller Entsetzen, wie Rafael sich von ihr abwandte. Sie sah das klaffende Loch in seinem Rücken, die Ströme von Blut. Colby hatte keinen Schuss gehört, und sie war sich sicher, dass nicht sie ihn so verwundet hatte.
Kapitel 11
G uten Abend, Rafael.«
Die aalglatte Bösartigkeit in der schnurrenden Stimme ließ Colbys Atem stocken. Sie fuhr herum und starrte das Monster an, das am Rand der Lichtung stand. »Paul!« Ein leiser Schrei entschlüpfte ihr, als sie sah, dass Paul wie ein Schild vor das Wesen gehalten wurde.
Die Augen ihres Bruders waren vor Entsetzen weit aufgerissen, und sein Atem kam in kurzen, flachen Stößen. Sein Gesicht zeigte Spuren von Schlägen, und seine Knöchel waren blutig geschlagen. Sein Hemd war zerrissen, und Colby konnte
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