Verführer der Nacht
amor.« Rafael nahm Ginny vorsichtig einen Becher süßen, heißen Tee ab und drückte ihn Colby in die Hände. »Du stehst unter Schock, pequena. Ich möchte, dass du das trinkst. Es wird dir guttun.« Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Sieht so aus, als wäre der Brand mit Kerosin gelegt worden. Lagert ihr hier Kerosin?«
»Im Stall?«, sagte Colby ungläubig. Unruhig sprang sie auf, drängte sich an Rafael vorbei und lief in die Küche. »Ich habe noch nie Kerosin im Stall aufbewahrt. Du musst mich ja wirklich für bescheuert halten.«
Sie war so zerbrechlich und den Tränen so nah ! Rafael, der in ihrem Bewusstsein las, sah das wilde Durcheinander von Emotionen, das Grauen über das, was passiert war, die Angst vor der Zukunft und ihre verzweifelten Versuche zu begreifen, wie es zu dem Unglück gekommen sein könnte. Geduldig folgte er ihr, lautlos wie eine Raubkatze auf der Jagd. »Das habe ich nicht gemeint, querida. Ich wollte damit sagen, dass ich es für Brandstiftung halte. Ich glaube, der Einsatzleiter der Feuerwehr ist derselben Ansicht. Bist du versichert?«
Colby wurde sehr still und wandte sich halb zu ihm um. »Ist es das, was du denkst? Dass ich für das Geld der Versicherung meine eigenen Ställe mit all den Pferden darin niederbrennen würde? Willst du das damit andeuten?« Sie machte eine weit ausholende Handbewegung, die ihren Hof und ihre Nachbarn umschloss. »Ist es das, was alle glauben? Dass ich aus reiner Berechnung imstande wäre, Tieren so etwas anzutun?«
Ihre grünen Augen begannen, gefährlich zu funkeln. »Aber vielleicht ist es auch nur das, was alle anderen glauben sollen. Dass ich zu einer so furchtbaren Tat fähig wäre. Es wäre doch sicher von Vorteil für die Brüder Chevez und dich, wenn ich ins Gefängnis käme, oder? Niemand würde euch mehr im Weg stehen und euch daran hindern, die Kinder mitzunehmen.«
»Das reicht.« Er sagte es sehr ruhig, jedoch mit zusammengebissenen Zähnen. Seine Augen waren wieder eiskalt, sein Mund ein unerbittlicher, schmaler Strich. Er sah so grausam und bedrohlich aus, dass Colbys Herz furchtsam zu klopfen begann und sie unwillkürlich vor ihm zurückwich. »Du bist völlig verstört und weißt nicht, was du redest. Es wäre besser, den Mund zu halten, statt haltlose Anschuldigungen vorzubringen. Du machst deiner Schwester Angst.«
Colby, die sich für ihre Entgleisung schämte, schüttelte den Kopf und starrte aus dem Fenster, um Rafaels eindringlichem Blick auszuweichen. Sie konnte nicht wissen, dass er den Schlüssel zu ihrem Unterbewusstsein bereits gefunden hatte und sehr wohl wusste, dass sie zu einer so gemeinen Tat, wie ein Feuer in einem Stall voller Tiere zu legen, niemals fähig wäre.
Rafael kauerte sich neben Ginny. »Alles wird wieder gut, menininha«, versicherte er freundlich. »Niemand würde so etwas je von Colby glauben. Mach nicht so ein ängstliches Gesicht.«
»Werden wir die Ranch verlieren?«, brach es aus Ginny heraus. »Werden sie uns von Colby wegholen und unsere Ranch diesem furchtbaren Mann überlassen?« Tränen zogen einen hellen Pfad durch den Ruß auf ihrem schmalen Gesicht.
Rafael drehte es das Herz um, als er das Kind anschaute. Es war eine völlig neuartige Erfahrung für ihn, einen Menschen mit den Augen der Liebe zu sehen. Durch seine geistige Verbindung mit Colby war er in der Lage, Gefühle für das kleine Mädchen und seine Ängste zu empfinden.
»Nein, Liebes.« Colbys Stimme war sehr sanft. »Keine Angst, Ginny, wir haben schon Schlimmeres erlebt und überstanden. Ihr zwei seid unverletzt, Paul und du, und das ist die Hauptsache.« Obwohl sie selbst völlig verstört war, wirkte sie beruhigend.
»Welcher furchtbare Mann, Ginny?«, fragte Rafael, während sein dunkler Blick auf dem Kind ruhte und in Ginny den starken Drang entdeckte, ihm zu antworten.
»Alles ist in Ordnung«, unterbrach Colby ihn. Selbst in ihren eigenen Ohren klang sie völlig erschöpft. Sie streckte eine Hand nach Ginny aus, um den Bann zu brechen, den Rafaels Blick auf ihre Schwester auszuüben schien.
Scheinbar ohne sich zu bewegen schob sich Rafael zwischen Colby und Ginny. Das kleine Mädchen blickte vertrauensvoll zu ihm auf. »Er will uns unsere Ranch wegnehmen. Ständig kommt er her und will Geld von Colby.« Sie beugte sich ein wenig zu ihm vor. »Er will sie heiraten. Ich habe gehört, wie er zu ihr gesagt hat, dass wir die Ranch nicht verlieren müssen, wenn sie vernünftig ist.«
»Ginny!« Colby, die
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