Verführerische Maskerade
verheiratet?«
»Nein«, meinte Alex. »Und er hat auch nie geheiratet. Jetzt verstehe ich den Grund.« Er schlug mit der Hand auf die Briefe auf seinem Schoß. »Und er hat mir auch niemals erklärt, warum meine Mutter einverstanden war, dass er mit mir fortgeht. Warum hat sie ihr Leben weitergeführt, als ob ich nicht existiere?« Er lachte kurz. »Als kleiner Junge war ich überzeugt, dass es an mir liegen müsse. Ich war nicht liebenswert genug.«
»Ich empfinde tiefes Mitgefühl für das Kind«, bemerkte Livia bedächtig, »aber vor mir steht der Mann. Und ich weiß, dass er mich angelogen hat. Soweit ich sehe, ist meine Ehe eine einzige Farce. Es kommt mir vor, als würden wir Theater spielen, und zwar vor einem Publikum, das mir vollkommen unbekannt ist. Jetzt ist mir klargeworden, dass du dich aus bestimmten Gründen an meine Fersen geheftet hast. Aus Gründen, die nichts mit mir zu tun haben. Dafür bist du mir eine Erklärung schuldig.«
Alex seufzte. »Ja«, stimmte er zu, »ich bin dir eine Erklärung schuldig.« Er würde ihr zumindest die halbe Wahrheit gestehen können. »Ich bin nach London gekommen, weil der Zar mich mit einer geheimen Mission beauftragt hat. Im vergangenen November hat er seinen Botschafter vom Hof in St. James abgezogen. Seither ist es notwendig, dass sich jemand in der Stadt aufhält, der Augen und Ohren für ihn aufsperrt.« Er zuckte die Schultern. »Ich bin Auge und Ohr für den Zaren.«
»Das erklärt vermutlich auch die langweilige Dinnergesellschaft mit den merkwürdigen Gesprächen über Russland und die verschlossenen Lippen deiner Gäste.«
»Ja.«
»Aber warum musstest du unbedingt eine Frau finden?«
Alex hatte gelernt, dass sie sich mit einer bequemen Lüge nicht zufriedengeben würde. Es war besser, das Messer einmal rücksichtslos anzusetzen, den Brand auszuschneiden und die Wunde dann schnell zu vernähen.
»Um mich noch besser zu tarnen«, erklärte er, »ich bewege mich in den richtigen Kreisen, bin mit einer Frau verheiratet, die eine perfekte Gastgeberin ist. Alles sieht so normal aus, so gewöhnlich, dass niemand Verdacht schöpfen würde.«
»Aber warum ausgerechnet ich? Warum hast du mich für diese Aufgabe ausgewählt? Es gibt so viele ungebundene Frauen in der Gesellschaft, die dein Angebot hocherfreut angenommen hätten.« Ihre Stimme klang kalt.
Alex hatte das Bett verlassen und kam zu ihr, legte die Hände auf ihre Schultern und schaute ihr aufmerksam in die Augen. Livia sieht aus, dachte er unwillkürlich, als hätte ich sie ernsthaft verletzt. Das Herz tat ihm weh. »Meine Liebe, du musst mir glauben, dass ich seit vielen, vielen Monaten nur dich liebe. Es wird niemals wieder eine andere Frau geben. Davon bin ich zutiefst überzeugt.«
»Warum ich?«, wiederholte sie beharrlich. Ihre Nasenflügel bebten. »Du hast mich umschwärmt wie die Motten das Licht. Ich frage dich noch einmal: Warum ich?« Livia kreiste ungeduldig mit den Schultern, als wollte sie sich von einem lästigen Juckreiz befreien.
Alex ließ die Hände sinken. »Das Haus«, gestand er. »Es hat nicht meiner Mutter gehört, obwohl sie eindeutig davon überzeugt war. Mein Vater hatte ihr nur ein Wohnrecht auf Lebenszeit eingeräumt.«
Livia starrte ihn entsetzt an. »Soll das heißen, dass sie kein Recht hatte, es mir zu vererben?«
»Ja«, bestätigte er schlicht. »Ich bin nach London gekommen, um mein Eigentum für mich zu reklamieren. Das Haus war als Teil des Grundbesitzes meines Vaters angeführt. Grundbesitz, dessen einziger Erbe ich bin.«
»Und warum hast du dir das Haus dann nicht einfach unter den Nagel gerissen?«, fragte sie harsch. »Ich nehme an, dass du gerichtsfeste Unterlagen hast, mit denen du dein Recht an diesem Haus beweisen kannst. Warum hast du mich nicht kraft des Gesetzes vertrieben?«
»Darüber hatte ich nachgedacht … bis ich dir begegnet bin«, erklärte Alex. »Aber der Ball bei Lady Clarington … jene Nacht …« Er zuckte die Schultern und versuchte zu lächeln. »Ich war verloren,Livia. Schon auf den allerersten Blick. Schließlich wurde mir bewusst, dass das Haus auch dann mir gehören würde, wenn ich dich zu meiner Frau wähle.«
»Ich kann dich nur bewundern«, sagte Livia und lächelte zynisch, »wie effizient du arbeitest. Wie es im Sprichwort heißt, zwei Fliegen mit einer Klappe.«
»Das habe ich sicher nicht besser verdient«, gestand Alex ein und fuhr sich frustriert mit der Hand durch das Haar. »Obwohl ich nicht die
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