Verfuehrerische Naehe
sehen, auch wenn er sich nur vergewissern wollte, dass sie seine Befehle befolgt hatte und daheim geblieben war. Offenbar war es ihm egal, und er hatte nur wegen Julias Drängen etwas unternommen oder weil er sich als Nachbar verpflichtet gefühlt hatte.
Möglicherweise hatte er sich bei ihr die Erkältung eingefangen, oder er war ernsthaft krank. Oder die Tabletten hatten ihren Geist verwirrt …
Am Mittwoch zeigte sich der Frühling von seiner schönsten Seite, und Chantals Zweifel verflüchtigten sich wie Tau im Sonnenschein. Chantal ertappte sich dabei, wie sie beim Anziehen summte, und musste über sich lachen. Wenn es schon so schön war, zur Arbeit zu fahren, wie toll musste es erst sein, wenn sie einmal etwas Radikales tat und Quade anrief, um sich zu erkundigen, wie es ihm ging!
Nun ja, so radikal war das auch wieder nicht. Schließlich war er ihr Nachbar, und er hatte niemanden, der sich um ihn kümmerte. Seine Tante und sein Onkel lebten praktisch nur für den Beruf und ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen.
Nein, radikaler wäre es, wenn sie sich wie eine erwachsene Frau und nicht wie eine verknallte Schülerin aufführte. Sie mochte Quade sehr, genoss seine Nähe und wollte fortführen, was mit dem Kuss begonnen hatte. Wieso unternahm sie nichts in dieser Richtung? Wieso wartete sie darauf, dass er etwas tat?
Weil sie keine Ahnung hatte, was sie machen sollte.
Heute fühlte sie sich jedoch jeder Herausforderung gewachsen. Entschlossen verdrängte sie ihre Unsicherheit. Heute war sie wagemutig. Also zog sie den grauen Pullover aus und griff nach einer leuchtend roten Bluse. Als Krönung des Ganzen trug sie knallroten Lippenstift auf.
Nach der Arbeit würde sie Quade besuchen, um ihm zu beweisen, dass sie wieder gesund war, und ihm zu zeigen, dass sie mehr von ihm wollte. Und das war eindeutig äußerst wagemutig und radikal.
Chantal folgte der dröhnend lauten Rockmusik und entdeckte Quade im Schuppen hinter seinem Haus. Er arbeitete am MG, oder genauer gesagt, darunter. Ein Blick auf die schweren Arbeitsschuhe und die langen Beine in Jeans, und sie wusste genau, mit wem sie es zu tun hatte.
Das hätte sie eigentlich abschrecken sollen, doch sie ging näher. Aufregung packte sie.
Quade hatte sie noch nicht bemerkt. Darum konnte sie ihn nach Herzenslust betrachten.
Langsam ließ sie den Blick über die muskulösen Beine in der Jeans wandern, so langsam, dass es geradezu unanständig war - von den Füßen über die Knie und die Schenkel.
Unter dem Wagen schepperte es metallisch, gefolgt von einem Fluch. Schuldbewusst wich Chantal zurück. Die Hüfte tauchte auf, dann ein Stück eines schwarzen T-Shirts. Schon wollte Chantal sich räuspern, doch offenbar streckte Quade unter dem Wagen die Arme über den Kopf. Das war zumindest die logische Erklärung dafür, dass das T-Shirt aus seiner tief sitzenden Hose rutschte.
Eine Handbreit seines nackten Waschbrettbauchs war zu sehen, der von dunklen Härchen bedeckt war - ein Anblick, der Chantal sofort erregte. Sie atmete schneller. Von der bloßen Vorstellung, seine Haut zu berühren und zu küssen, wurde ihr heiß.
Wieder klapperte es, Flüche folgten, und plötzlich kam Quade unter dem Wagen hervor.
Die Arme hielt er noch über dem Kopf, den Blick richtete er auf Chantals Beine. Sie wich schnell aus. Geschmeidig kam er hoch, griff lässig nach einem Lappen und wischte sich die Hände daran ab, ehe er das plärrende Radio ausschaltete.
„Hast du es genossen?”
Tödlich verlegen, strich Chantal sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen, schaffte es, den gleichen lockeren Ton anzuschlagen wie er. „Die Aussicht war nicht schlecht.”
„Ach ja?” Er betrachtete ihre Beine. „So gut wie meine von da unten?”
Instinktiv strich Chantal über ihren höchst korrekten grauen Rock. „Du hast gar nichts gesehen.”
„Und das ist unfair, findest du nicht?”
„Was ist daran unfair?” entgegnete sie. „Du hast eine Jeans an. Ich habe gar nichts gesehen.”
Quade erwiderte ihr Lächeln nicht, sondern betrachtete sie nur, so dass sie sich fragte, was jetzt wohl kam.
Schließlich legte er den Lappen weg. „Du kommst von der Arbeit?”
„Ja”, entgegnete sie kampfbereit, obwohl er sie das ganz beiläufig gefragt hatte. „Ich bin auf dem Heimweg.”
„So früh am Tag?”
„Heute Abend findet die Generalprobe für die Hochzeit statt, und zwar genau in einer Stunde.” So, jetzt musste sie erklären, warum sie hier war. „Weil
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