Verfuehrerische Naehe
Telefon gegriffen und sich selbst zu dem Spiel eingeladen. Er wollte für Chantal da sein und sie moralisch unterstützen, weil es ihr so viel bedeutete.
Und was hatte sie getan? Sie war nicht einmal erschienen.
Godfrey hatte bloß abgewinkt, als er sich Sorgen machte. „Sie hat es heute Nachmittag nicht geschafft. Meine Sekretärin hat es mir ausgerichtet. Irgendein Notfall. Darum musste sie weg. Bei Chantal kommt die Arbeit stets an erster Stelle. Deshalb ist sie ja eine so wertvolle Mitarbeiterin.”
Das war Quade zwar nicht neu, aber er hatte gehofft, es gäbe für sie etwas Wichtigeres als die Arbeit. Nein! Diesen gefährlichen Gedanken sollte er lieber nicht weiter verfolgen, denn er hatte ja selbst erlebt, wie sehr sie in ihrem Beruf aufging. Diese Woche war ein typisches Beispiel. Chantal hatte von neun bis fünf geschuftet und manchmal sogar noch am Feierabend gearbeitet. Sicher, es gab Ausnahmen, wenn nur wenige Termine angesetzt waren, so wie letzte Woche. Doch das durfte er nicht überbewerten. Es bedeutete noch längst nicht, dass sie sich beeilte, zu ihm heimzukommen. Es bedeutete auch nicht, dass er ihr wichtiger war als zusätzliche Arbeit am Abend. Es bedeutete letztlich überhaupt nichts.
Als Chantal nach seiner ersten Nachricht bis sieben nicht angerufen hatte, verwandelte sich sein Ärger über den vergeudeten Nachmittag in Sorge und Angst. Er war überzeugt gewesen, das Golfen wäre für sie ungeheuer wichtig, um Godfrey zu beeindrucken. Sie hatte schließlich sogar im Regen trainiert, um gut abzuschneiden. Da ließ sie den Termin doch nicht so einfach sausen, oder?
Weshalb also war sie so eilig verschwunden? Was machte sie bloß?
Das Telefon klingelte, als Quade gerade unter der Dusche stand. Er griff nicht einmal nach einem Handtuch, sondern ging sofort ran.
Es reichte ihm zu hören, wie Chantal bloß „Hallo!” sagte. Schon verlor er vor lauter Erleichterung die Beherrschung.
„Wo, zum Teufel, steckst du?” stieß er hervor. „Wieso warst du heute Nachmittag nicht auf dem Golfplatz?”
Sie schwieg einen Moment. „Woher weißt du denn das?”
Ihre ruhige Frage, sein rasender Herzschlag, die Pfütze zu seinen Füßen, das Ticken der alten Uhr - alles, einfach alles zerrte an seinen Nerven. „Weil ich dort war, verdammt! Und wo warst du?”
„Ich bin in Sydney. Das ist eine lange Geschichte.”
„Dann möchte ich die Kurzversion hören.”
„Gut.” Ihre Stimme klang von einer Sekunde auf die andere wesentlich kühler, und das zerrte ebenfalls an seinen Nerven. „Mitch hat ein Problem in der Familie. Es geht um seinen Sohn. Ich helfe ihm.”
„Du bist nach Sydney geflogen, um dich als Babysitter zu betätigen?” fragte er ungläubig.
„Ich bin nach Sydney geflogen, weil mein Bruder mich braucht.”
„Ich finde, dein Bruder sollte sich zusammenreißen und seine Angelegenheiten selbst in Ordnung bringen.”
„Wirklich?” fragte sie schneidend. „Das ist sehr merkwürdig, weil ich eigentlich gerade von dir Verständnis erwartet hätte.”
„Wie bitte? Meinst du vielleicht deinen Hang, etwas nicht zu machen, weil du fürchtest, du könntest versagen?”
Schweigen senkte sich wie eine greifbare Wand zwischen sie beide. Was bloß in ihn gefahren? Er suchte nach einer Entschuldigung und wollte erklären, dass ihn die Angst zu dieser Bemerkung getrieben hatte.
„Ich habe nicht darauf angespielt, dass du auf deine Karriere verzichtet hast”, fuhr Chantal fort. „Ich dachte eher, du könntest verstehen, was Mitch durchmacht. Seine Frau hat schließlich entschieden, dass ein Ehemann und ein Kind ihre Karriere behindern.”
Das traf ihn wie ein Schlag. Woher wusste sie von Kristin und ihrer Entscheidung?
„Wovon sprichst du?” fragte er langsam.
„Von Mitch und dem Schmerz, der ihn zerreißt”, erwiderte sie.
Also hatte sie Mitch’ Frau und nicht Kristin gemeint. Quade entspannte sich etwas.
„Sieh mal”, fuhr Chantal fort, „ich rufe nur an, damit du weißt, wo ich bin. Ich dachte, du willst es vielleicht erfahren. Es mag dumm von mir sein, aber ich habe aus deinen Nachrichten Sorge herausgehört.”
„Das trifft auch voll zu.”
„Oh.”
Er wollte ihr erklären, wieso er auf dem Golfplatz gewesen war, aber nicht am Telefon.
Bisher hatte er sich nicht gut verhalten … Nein, er hatte sich schlecht verhalten. Das wollte er unbedingt ausgleichen, doch am Telefon war das unmöglich. Chantal musste bei ihm und nicht Hunderte von Kilometern weit weg
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