Verführerischer Weihnachtstraum
sind. Ich war bisher recht sparsam mit den Details, nicht wahr, Didi?“ Georgie warf Pierre einen vielsagenden Blick zu. „Ich dachte, du würdest es lieber von deinem Sohn hören. Ich weiß ja, er ist nicht gerade übermäßig – hm, wie soll ich sagen? – offen , wenn es darum geht, etwas von sich selbst preiszugeben. Aber ich weiß, dass er darauf brennt, dir alles zu berichten.“
Georgie fragte sich, was er jetzt wohl sagen würde. Sie hatten zwar seit London nicht mehr miteinander gesprochen. Aber sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie wütend er auf sie sein musste, weil sie ihn in diese Lage gebracht hatte. Allerdings könnte sie sich wahrscheinlich bis zum Sankt Nimmerleinstag bei ihm entschuldigen, und es würde nicht das Geringste ändern. Er würde wütend bleiben. Dabei sah er jetzt doch selbst, welch positive Wirkung ihre kleine Täuschung auf Didi hatte! Didi war regelrecht aufgeblüht. Wenn erst ihre Energie und ihre Lebensfreude zurückgekehrt waren, dann konnten sie ihr vorsichtig beibringen, dass es mit der Beziehung vorbei war. Das würde sie dann schon verkraften.
Über dieses Szenario hatte Georgie sich bisher noch keine genauen Gedanken gemacht. Sie lebte lieber in der Gegenwart und genoss den Augenblick, statt sich über etwas den Kopf zu zerbrechen, das in weiter Ferne lag.
„Sie hat mir nachgestellt.“ Über den Rand seinesWeinglases sah Pierre zu Georgie. „Sie war schamlos …“
„Moment mal!“
„Georgie!“, rief Didi belustigt.
„ Das ist ja wohl stark übertrieben! Nicht wahr, Dar ling ?“
„Ganz und gar nicht.“ Pierre stellte seinen leeren Teller und das Weinglas auf den Tisch, lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, um Georgie unter halb geschlossenen Lidern zu betrachten.
Georgie fragte sich ernsthaft, wie sie diesen Mann je für einen Langweiler hatte halten können. Seit wann war gefährlich langweilig? Sie dachte an all die Gelegenheiten, als sie ihn wegen seiner Eltern zur Rede gestellt hatte. Da hatten sich ihr nie die Nackenhärchen aufgerichtet so wie jetzt. Allerdings hatte sie sich da auch nicht in sein Leben eingemischt, oder? Sicher, sie hatte ihn genervt und geärgert, aber das war etwas völlig anderes gewesen als die jetzige Situation.
„Es ist doch nichts falsch daran, wenn eine Frau den ersten Schritt macht.“ Didi war begeistert. Lächelnd und mit glänzenden Augen lehnte sie sich vor. Wirkte Pierre schon allein durch seine Körpergröße einschüchternd, so strahlte Didis zierliche Gestalt enorme Herzlichkeit und Wärme aus. Aber die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Sohn war nicht zu übersehen.
„Ich meine ja nur, dass Pierre übertreibt.“ Georgie fühlte sich in die Enge getrieben.
„Du hast mich angerufen, weißt du nicht mehr?“ Amüsiert hob Pierre vielsagend die Augenbrauen. „Du warst in der Stadt und wusstest nicht, wohin du zum Dinner gehen solltest. Für mich hörte sich das wie eine Einladung an.“ Er blickte zu seiner Mutter, die ihm verschwörerisch zuzwinkerte. „Also habe ich getan, was jeder Gentleman in einer solchen Situation tun würde …“ Er zuckte lässig mit den Schultern.
Georgie dachte an den Mann zurück, der sie im Foyer seines Fitnessclubs begrüßt hatte: ungeduldig und voll unverhohlener Feindseligkeit. Wie sich nun aber herausstellte, war genau dieser Gentleman mehr als bereit, die verschlungenen Pfade zu beschreiben, die ihre Beziehung gegangen war. Einen solchen Einfallsreichtum hätte Georgie ihm nie zugetraut. Was ihr nur wieder einmal bewies: Es war gefährlich, sich einzubilden, man würde jemanden kennen, wenn man nur an der Oberfläche gekratzt hatte.
Sie genossen das köstliche Essen und tranken fabelhaften Weißwein, den Didi sich wohl am Vormittag hatte liefern lassen. Pierre erzählte von Verabredungen, die nie stattgefunden hatten. Von Küssen, die nie ausgetauscht worden waren. Und von einer gemeinsamen Liebe zum Theater, die sie vielleicht sogar wirklich hätten teilen können, hätte überhaupt eine Chance dafür bestanden. Weder musste noch konnte Georgie den Mund aufmachen.
Irgendwann schließlich grinste Pierre sie selbstzufrieden an. Georgie wiederum wandte sich lächelnd an Didi.
„Es ist schon spät, nicht wahr?“, sagte sie und gähnte.
„Warum setzt du dich nicht ein wenig mit deinem Sohn zusammen? Ich räume derweil die Küche auf.“
Es war inzwischen bereits Mitternacht geworden. Didi nickte gedankenverloren, stand auf und ging zum
Weitere Kostenlose Bücher