Verführerisches Feuer
allein Antonios Schuld … dass ich niemand kennenlernen will, meine ich.“
Falcon konnte ihr ansehen, wie sehr sie das alles mitnahm. Plötzlich wurde ihm überdeutlich bewusst, dass er sich auf vermintem Gebiet bewegte und extrem vorsichtig sein musste.
Schnell versuchte er sich alle Fakten über sie in Erinnerung zu rufen, um dann so beiläufig wie möglich zu sagen: „Von irgendwoher muss Ihre Angst vor Männern doch kommen. Vielleicht war es ja ein Schock für Sie, dass Ihre Mutter wieder geheiratet hat. So etwas kommt vor. Sie haben erzählt, dass Sie damals zwölf waren, wenn ich mich richtig erinnere. Ein schwieriges Alter. Angenommen, Ihr Stiefvater war wenig entgegenkommend und nicht sehr verständnisvoll …“
„Nein, nein.“ Annie schüttelte vehement den Kopf. „Das war es nicht. Genauer gesagt waren mein Stiefvater und Colin … eigentlich waren sie beide sehr freundlich. Besonders Colin.“
Colin, ihr Stiefbruder. Der Mann, der Falcon auf den ersten Blick suspekt gewesen war und der unbedingt hatte wissen wollen, wann Falcon eine Spur von Annie hatte. In diesem Moment wur de ihm klar, wer sie schon lange vor Antonio verletzt hatte.
„Es war Ihr Stiefbruder, nicht wahr?“
„Nein!“
Falcon hörte die Angst in ihrer Stimme mitschwingen.
Annie sprang hektisch auf und schlug so fest mit der Hand auf den Tisch, dass ihre Kaffeetasse umkippte und der Inhalt über ihren Rock schwappte. Dabei wiederholte sie nachdrücklich: „Nein!“
Falcon versuchte die Wogen der Erregung zu glätten, indem er möglichst ruhig sagte: „Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Der Kaffee ist heiß, hoffentlich haben Sie sich nicht verbrannt.“
Als Annie ihn auf sich zukommen sah, schnappte sie sich in blinder Panik die Wasserflasche, die auf dem Tisch stand. Gleich würde er sie anfassen, das konnte sie nicht ertragen.
„Nein …“ Abwehrend streckte sie die Hand aus, um ihn von sich abzuhalten.
„Es ist gut, Annie“, sagte Facon leise. „Ich werde Sie nicht berühren und komme Ihnen auch nicht zu nahe, das verspreche ich Ihnen. Sagen Sie mir einfach nur, ob Sie sich verbrannt haben.“
Seine Besonnenheit bewirkte, dass ihre Panik spürbar nachließ.
„Nein, alles okay.“
„Gut. Können wir uns dann wieder setzen und darüber reden?“
Darüber reden, was sie eben gesagt … eingestanden hatte, meinte er. Das wusste Annie. Ihr war übel, und in ihrem Kopf herrschte eine unangenehme Leere. Außerdem verspürte sie den unwiderstehlichen Drang, sich über die Schulter zu schauen, hin zu der Tür, die auf die Terrasse führte.
Falcon erriet ihre Gedanken.
„Hier sind Sie sicher, Annie, hier kann Colin Ihnen nichts tun“, beteuerte er. „Es wird ihm nie wieder gelingen, Sie einzuschüchtern, glauben Sie mir. Weil ich es nicht zulassen werde.“
Sie setzte sich wieder und sagte mit bebenden Lippen: „Er wird behaupten, dass ich nicht die Wahrheit sage und dass er mich nur beschützen will. Weil ich mir einfach zu oft die fal schen Freunde aussuche. Das hat er zu meiner Mutter auch im mer gesagt.“
Die Vergangenheit drohte sie wieder in ihre bedrohliche Umklammerung zu ziehen, aber Annie wehrte sich aus Leibeskräften. Sie war kein Kind und auch kein Teenager mehr. Sie war erwachsen, selbst Mutter inzwischen. Falcon wartete offensichtlich auf eine Erklärung – verständlicherweise.
„Ich weiß, was Sie jetzt denken“, fuhr sie fort. „Aber so war es nicht, mit Sex hatte das alles nichts zu tun. Er war einfach nur … na ja, er würde es wahrscheinlich fürsorglich nennen, aber ich hatte immer das Gefühl zu ersticken. Er hat nichts falsch gemacht, deshalb hat meine Mutter wahrscheinlich auch nie verstanden, was ich meine. In ihren Augen war ich einfach nur schwierig und unvernünftig. Ich war eben in die Oberstufe gekommen und hatte Freunde gefunden, aber Colin bestand darauf, mich immer noch von der Schule abzuholen. Können Sie sich vorstellen, wie ich mich dabei gefühlt habe? Und dann war da noch meine beste Freundin Claire. Er konnte sie nicht leiden, und eines Tages … Er saß am Steuer des Wagens, der seinem Vater gehörte, in unserer Einfahrt, als Claire auf dem Fahrrad vorbeifuhr. Er stieß plötzlich zurück und hätte sie um ein Haar überfahren.“
Jetzt ließ sich ihr Redefluss nicht mehr eindämmen, ihre Ängste und Zweifel strömten ungehindert aus ihr heraus.
„Ich habe immer wieder versucht, es meiner Mutter zu erklären, aber ich konnte es ihr einfach nicht begreiflich
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