Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
erstanden. Sobald der Stoff geliefert wurde, würde der Admiral sie für ihre Geschäftstüchtigkeit loben.
    Sie schützte mit dem Sonnenschirm die Augen und schaute sich verunsichert im Gedränge um. Keine Spur von Claremont oder der Kutsche. Die Wagen, die die Straße entlang standen, die in der Mittagssonne dösenden Gespanne, waren ihr fremd. Vermutlich hatte Fenn ein Stück weiter die Straße hinunter parken müssen, und ihr Leibwächter hatte in der schattigen Kutsche vor der verspäteten Sommerhitze Schutz gesucht.
    Sie hätte erleichtert sein sollen, dass Claremont nicht hier herumlungerte und nur darauf wartete, sich mit diesem unverschämten Grinsen im Gesicht auf sie zu stürzen. Andererseits hatte die Vorwarnung ihn offensichtlich vorsichtig werden lassen, und sie würde sich einen feinsinnigeren Plan ausdenken müssen, ihn loszuwerden.
    Sie legte sich in keckem Winkel den Schirm auf die Schulter und entschloss sich, allein ins Schreibwarengeschäft zu gehen. Sie eilte an den schreienden Straßenhändlern vorbei und bemühte sich, den Duft aus Banbury-Kuchen und Bratäpfeln zu ignorieren, der ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Diese unmäßige Leidenschaft für Süßes war auch so ein fleischliches Gebrechen, das sie von ihrer Mutter geerbt hatte.
    Sie lächelte, als sie sich Claremonts Verdruss vorstellte, wie er zum Stoffhändler zurückkehrte und feststellen musste, dass seine goldene Gans entflogen war.
    Sie hing noch der befriedigenden Vorstellung nach, als eine schmuddelige Hand nach der Kordel ihres Damentäschchens griff und Lucy in eine verlassene Gasse zerrte.

8
     
    Die Daumen in die Westentaschen eingehakt, lehnte Gerard an einem schmiedeeisernen Laternenmast, zählte langsam bis zehn und stellte sich auf den schrillen Schrei ein, der jeden Moment ertönen musste.
    Doch aus der Gasse, in der Lucy verschwunden war, kam nur unheilvolle Stille.
    Er zog stirnrunzelnd die Uhr aus der Tasche und richtete sich, von einer Vorahnung befallen, auf. Das Balg des Admirals wollte ihn um seinen Posten bringen, aber dass sie Schaden nahm, hatte er nie gewollt. Was, wenn sie in Ohnmacht gefallen war? Oder gestürzt und sich den Kopf angeschlagen hatte? Die Vorstellung, Lucy könne bewusstlos auf dem Kopfsteinpflaster liegen, das Haar ins blasse Gesicht gefallen, ließ ihn zur Gasse hinübermarschieren.
    Er bog um die Ecke und erstarrte. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihm vor Schreck das Kinn herunterklappen.
    Ein maskierter Mann lag flach auf dem Kopfsteinpflaster und versuchte, der scharfen Spitze des Sonnenschirms auszuweichen, die sich an seine Kehle presste. Es war Lucy, die den Elfenbeingriff des Schirms in der behandschuhten Hand hielt, so kühl und gefasst, als käme sie gerade von einer Gartenparty. Gerards Auftauchen entlockte ihr lediglich ein elegantes Heben der Augenbraue.
    »Bitte, Miss, tun Sie mir nicht weh«, jammerte der Dieb mit fast unverständlichem irischen Akzent. »Ich wollt Ihnen nichts tun, ehrlich nicht.« Als er Gerard entdeckte, der verächtlich auf ihn herabsah, fing er erleichtert zu quieken an. »Helfen Sie mir, Mister, dass sie mir nichts tut. Furchtbar war das! Sie hat mir eins übern Kopf gezogen, mir ein Bein gestellt und mich fast mit diesem Schirmdings da aufgespießt. Ich hab schon gedacht, dass Sie nie mehr …«
    Gerard ließ das gefährliche Gebrabbel verstummen, indem er dem Dieb die Hand an die Kehle legte und ihn auf die Beine zerrte. »Wenn Sie mich entschuldigen wollen, Miss Snow. Ich muss diesen Unrat loswerden.«
    Lucy klopfte sich die Handschuhe ab. »Der Kerl wollte mir die Handtasche stehlen. Sollten wir ihn nicht einem Konstabler übergeben?«
    Gerard packte fester zu. Der Bursche strampelte hilflos mit den Beinen. »Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er sich wünschen, wir hätten es getan«, versprach Gerard grimmig.
    Als Gerard ein paar Minuten später zurückkehrte, bewunderte Lucy gerade Bonbons und kandierte Früchte in der Auslage einer Konditorei.
    Er blieb direkt hinter ihr stehen, zu dicht, als dass es noch schicklich gewesen wäre; doch er war zu aufgebracht, sich darum zu scheren. Dass Lucy seinen Plan durchkreuzt hatte, war nicht der Grund seines Zorns. Er war auf sich selbst wütend, weil er sich doch kurz tatsächlich um ihr Wohlergehen gesorgt hatte. Der Himmel wusste, wie viel Erbarmen er schon an sie verschwendet hatte.
    Er betrachtete im Fenster ihr makelloses Spiegelbild. »Warum, zur Hölle, haben Sie nicht geschrien?

Weitere Kostenlose Bücher