Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
Vom Netzwerk:
Ausdruck, der überhaupt nicht zu seinem Wesen passte. Er sah beinahe aus wie ein verletzter junger Hund, vermischt mit einer Prise Spitzbube.
    „Reine Selbsterhaltung.“ Misstrauisch betrachtete sie ihn. Ähnlich blasse Haut hatte sie auch schon öfter an ihrer jüngsten Schwester gesehen, die einen äußerst nervösen Magen hatte. Im Moment erinnerte Wyndham sie an Lydia, kurz bevor die sich übergab. „Wie viel haben Sie denn getrunken?“
    Er zuckte mit den Schultern. Offensichtlich hatte er es aufgegeben, ihr weiter zu schmeicheln. „Nicht halb so viel, wie ich verdient hätte.“
    „Tun Sie so etwas … oft?“, fragte sie sehr vorsichtig.
    Er antwortete nicht sofort. Nach einer Weile dann: „Nein.“
    Sie nickte langsam. „Das habe ich auch nicht angenommen.“
    „Außergewöhnliche Umstände“, sagte er und schloss die Augen. „Geradezu historisch.“
    Sie beobachtete ihn ein paar Augenblicke, gestattete sich den Luxus, sein Gesicht zu begutachten, ohne sich Sorgen darüber zu machen, was er denken könnte. Müde sah er aus. Richtiggehend erschöpft, aber das war noch nicht alles. Er sah aus, als belastete ihn etwas.
    „Ich schlafe nicht“, sagte er, obwohl er die Augen nicht öffnete.
    „Sehr lobenswert.“
    „Sind Sie immer so sarkastisch?“
    Sie antwortete nicht sofort. Nach einer Weile dann: „Ja.“
    Er öffnete ein Auge.
    „Wirklich?“
    „Nein.“
    „Aber manchmal?“
    Das entlockte ihr ein Lächeln. „Manchmal. Bei meinen Schwestern etwas öfter.“
    „Gut.“ Er schloss das Auge wieder. „Humorlose Frauenzimmer kann ich nicht ertragen.“
    Sie ließ sich das einen Augenblick durch den Kopf gehen, überlegte, was sie an dieser Bemerkung störte. Schließlich fragte sie: „Finden Sie, dass Sarkasmus und Humor dasselbe sind?“
    Er antwortete nicht, und sie bedauerte es, die Frage gestellt zu haben. Wie dumm von ihr, ein so schwieriges Thema bei einem Mann anzuschlagen, der nach Alkohol stank. Sie wandte den Kopf zum Fenster und sah hinaus. Inzwischen hatten sie Stamford hinter sich gelassen und fuhren Richtung Norden auf der Landstraße nach Lincoln. Es war mit ziemlicher Sicherheit dieselbe Straße, auf der Grace unterwegs gewesen war, als sie und die Herzoginwitwe von Straßenräubern überfallen worden waren. Allerdings war es vermutlich weiter draußen gewesen; wenn sie eine Kutsche ausrauben wollte, würde sie sich auch einen etwas abgelegeneren Ort suchen. Außerdem, dachte sie und reckte den Hals, um besser sehen zu können, gab es an dieser Stelle keinerlei Versteck. Ein Räuber brauchte doch sicher ein Versteck, hinter dem er den Leuten auflauern konnte.
    „Nein.“
    Sie zuckte zusammen und sah Wyndham dann erschrocken an. Hatte sie etwa laut gedacht?
    „Ich finde nicht, dass Humor und Sarkasmus dasselbe sind“, sagte er. Seine Augen waren immer noch geschlossen.
    „Sie beantworten meine Frage erst jetzt?“
    Er zuckte mit den Schultern. „Ich musste doch erst darüber nachdenken.“
    „Oh.“ Sie drehte sich erneut zum Fenster, um ihre Tagträumereien wieder aufzunehmen.
    „Es war eine komplizierte Frage“, fuhr er fort.
    Sie wandte den Kopf wieder ihm zu. Seine Augen waren offen, sein Blick war auf ihr Gesicht gerichtet. Er schien etwas wacher als noch vor ein paar Minuten. Was ihn zwar nicht aussehen ließ wie einen Professor aus Oxford, aber er vermittelte doch den Eindruck, dass man sich halbwegs vernünftig mit ihm unterhalten konnte.
    „Es hängt wirklich davon ab“, sagte er, „gegen wen sich der Sarkasmus richtet. Und vom Ton.“
    „Natürlich“, sagte sie, war sich dabei allerdings immer noch nicht ganz sicher, ob er wieder ganz bei Sinnen war.
    „Die meisten Leute, die ich kenne, wollen mit Sarkasmus verletzen, daher finde ich nicht, dass er dasselbe ist wie Humor.“ Er sah sie fragend an, und ihr wurde klar, dass er ihre Meinung hören wollte. Wie erstaunlich. Hatte er sie je um ihre Meinung gebeten? Egal zu welchem Thema?
    „Ich stimme Ihnen zu“, sagte sie.
    Er lächelte. Nur leicht – sicher wollte er sich nicht überanstrengen. „Das dachte ich mir.“ Er hielt kurz inne, nur einen Herzschlag. „Danke, übrigens.“
    Ihr war beinahe peinlich, wie wunderbar es sich anfühlte, diese Worte zu hören. „Bitte.“
    Sein Lächeln wurde reuig. „Es liegt schon ein ganzes Weilchen zurück, dass mich jemand gerettet hat.“
    „Ich könnte mir vorstellen, dass Sie es schon ein ganzes Weilchen nicht mehr nötig hatten.“ Merkwürdig zufrieden

Weitere Kostenlose Bücher