Verfuehrt zur Liebe
ausweichend gab Portia ihr Bestes, den Wissensdurst des Mädchens zu stillen.
Das Thema beschäftigte sie, bis das Essen angekündigt wurde. Nachdem alle an dem langen Tisch Platz genommen hatten, machte sich Portia daran - getreu ihrem Schwur -, die Möglichkeiten zu sondieren.
Welcher Gast auch immer im passenden Alter ist und die richtige Herkunft hat, ich schwöre, dass ich ihn in Erwägung ziehen werde.
Also, wer kam in Frage? Alle Männer am Tisch waren - zumindest theoretisch - von angemessener Herkunft, sonst wären sie nicht hier. Manche waren verheiratet und schieden so von vornherein aus. Von denen, die übrig blieben, kannte sie manche besser als andere.
Während gegessen und geredet wurde, sie sich an der einen oder anderen Unterhaltung beteiligte, ließ sie ihre Blicke wandern, nahm jeden zur Kenntnis und erwog jede Möglichkeit.
Ihr Blick blieb an Simon hängen, der ihr schräg gegenüber saß. Er mühte sich redlich, mit Drusilla Konversation zu machen, die seltsam reserviert schien, ernst aber auch, als sei ihr unbehaglich. Portia wunderte sich; einmal abgesehen von ihren häufigen Meinungsverschiedenheiten wusste sie genau, dass Simons Manieren tadellos waren und ihn nie im Stich lassen würden. Was auch immer das Problem war, es musste bei Drusilla liegen.
Die Gespräche um sie herum kamen zum Stillstand; ihr Blick blieb auf Simon ruhen. Sie bemerkte den goldenen Schimmer seines Haares, seine langen eleganten Finger, die sich um das Weinglas schlossen, das resignierte Zucken seiner Lippen, als er sich zurücklehnte und Drusilla sich selbst überließ.
Sie hatte ihn zu lange angestarrt. Er spürte ihren Blick.
Gerade noch rechtzeitig ehe er zu ihr sah, schaute sie nach unten, bediente sich ruhig von dem Gemüse, dann schenkte sie Mr. Buckstead neben sich ihre Aufmerksamkeit.
Erst, als sie merkte, dass Simon sie nicht länger betrachtete, atmete sie wieder frei.
Erst dann fiel ihr auf, wie merkwürdig diese Reaktion war.
Welcher Gast auch immer...
Zu der Zeit, als die Damen sich erhoben und die Herren ihrem Portwein überließen, hatte sie im Geiste drei Namen auf ihrer Liste notiert. Diese Hausgesellschaft war eindeutig ideal dafür, als Probe genutzt zu werden, ein Testfeld, auf dem sie ihr Geschick bei der Jagd nach einem Ehemann verfeinern konnte; keiner der anwesenden Gentlemen war jemand, dem sie sich vorstellen konnte, ihre Hand zu schenken, aber als Übungsmaterial waren sie durchaus geeignet.
James Glossup und Charlie Hastings gehörten genau zu der Sorte Gentlemen, deren Eigenschaften sie einzuschätzen lernen musste.
Was Simon anging - nur, weil sie ihn ihr ganzes Leben lang kannte, nur, weil sie sich die letzten zehn Jahre beinahe ständig gezankt hatten, nur, weil sie nie daran gedacht hätte, ihn auf ihre Liste zu setzen, wenn sie ihren Schwur nicht in genau diese Worte gefasst hätte - was sie nicht getan hätte, hätte sie geahnt, dass er da sein würde, war das kein Grund, die Augen vor seinen Qualitäten als Ehemann zu verschließen.
Qualitäten, die sie einzuschätzen und zu bewerten lernen musste.
Als sie in Lady O.s Kielwasser den Empfangssalon betrat, kam ihr der Gedanke, dass sie, da er nun einmal ein Cynster war, Simons Ehequalitäten als Messlatte für alle anderen nehmen sollte.
Das war ein beunruhigender Gedanke.
Glücklicherweise waren die Herren nicht anwesend, sodass sie sich erst einmal nicht weiter damit befassen musste. So ließ sie sich lieber vom Geplauder der Hammond-Schwestern und Lucy Bucksteads ablenken.
Später, als die Herren wieder zu ihnen stießen und die Unterhaltung allgemeiner wurde, fand sie sich in einer Gruppe mit Winifred Archer und Desmond Winfield wieder. Beide waren freundlich, ein wenig zurückhaltend, obwohl es keinem von beiden an Selbstbewusstsein mangelte. Bereits nach fünf Minuten hätte Portia ihr bestes Kleid darauf verwettet, dass zwischen den beiden etwas war - oder sich entwickelte. Was Winifred davon hielt, konnte sie nicht sagen, aber Desmond hatte trotz seiner tadellosen Manieren praktisch nur Augen für Winifred.
Im Geiste hatte sie schon den Stift in der Hand, um Desmond von ihrer Liste zu streichen, doch dann hielt sie inne. Vielleicht war es angesichts ihrer relativen Unerfahrenheit in diesem Bereich besser, wenn sie ihn weiter in Erwägung zog, nicht als für sie in Frage kommenden Ehekandidaten, aber als Hilfe, um die Eigenschaften an einem Gentleman herauszukristallisieren, die Damen wie Winifred
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