Verfuehrt zur Liebe
sie ist nicht zum Frühstück heruntergekommen, seit wir hier sind. Erst habe ich mir nichts weiter dabei gedacht, aber angesichts ihrer Vorliebe für männliche Gesellschaft und der Tatsache, dass die Gentlemen sich jeden Morgen im Frühstückszimmer versammeln, ist das vielleicht auch ein Zeichen?«
Lady O. brummte etwas. »Wie klang Kitty?«
»Kitty?« Portia überlegte, ging das Gespräch im Geiste noch einmal durch. »Als sie das zweite Mal redete, war sie wie ein unartiges Kind. Aber wo Sie fragen; sie klang am Anfang fast ein wenig hysterisch.«
Lady O. verzog das Gesicht. »Das klingt nicht gerade ermutigend.« Sie stellte den Stock auf den Boden und erhob sich mühsam aus ihrem Stuhl.
Portia stand ebenfalls auf und trat zu ihr, nahm ihren Arm. »Was denken Sie?«
»Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, das dumme Ding ist wirklich in anderen Umständen, aber gleichgültig, wer in Wahrheit der Vater ist, sie ist unseligerweise hirnlos genug, die Frage in ihren gestörten Spielchen einzusetzen.« Lady O. blieb stehen, während Portia die Tür öffnete. Sie fasste die Jüngere am Arm und schaute ihr ernst in die Augen. »Lass dir sagen, mit dem Mädchen wird es mal ein schlimmes Ende nehmen.«
Dem konnte Portia nichts entgegenhalten.
Cranborne Chase bot mit seinen hohen Eichen und Buchen eine willkommene Verschnaufpause von der Flitze und der Anspannung, unter der alle litten.
»Wenn die Umstände anders wären, dann bin ich sicher, Lady Calvin würde abreisen.« An Simons Arm schlenderte Portia einen buchengesäumten Weg entlang.
»Das kann sie nicht. Ambrose ist sozusagen geschäftlich hier. Er muss Lord Glossup, Mr. Buckstead und Mr. Archer auf den Zahn fühlen ...«
»Und Lady Calvin wird ihrem Sohn niemals schaden. Das meinte ich damit ja.«
Sie waren weit genug von dem Rest der Gesellschaft entfernt, um offen zu reden; alle anderen nutzten den Schatten unter dem grünen Blätterdach ebenfalls zum Spazierengehen. Als Gruppe auf eine Handvoll von Kutschen verteilt, waren sie am Vormittag gemütlich über die gewundenen Wege gefahren, die sich durch den alten Wald schlängelten, ehe sie in einem kleinen Weiler anhielten, der eine hervorragende Gastwirtschaft zu bieten hatte. Hier nahmen sie das vorher bestellte Essen ein. Die Wirtschaft befand sich am Anfang des Weges, dem sie folgten und den der Wirt ihnen empfohlen hatte, da er zu einer Talsenke führte, aus der sich zahllose schöne Wege in eine sanft hügelige Landschaft verzweigten, die sich ideal für einen Spaziergang nach dem Essen anbot.
Lord Netherfield und Lady O. hatten auf die Freuden des Waldes verzichtet und waren im Gasthof geblieben, alle anderen suchten die Bewegung an der frischen Luft, ehe sie wieder in die Kutschen stiegen.
Portia blieb stehen, drehte sich um und schaute die leichte Steigung hinunter. Sie hatten sich für den steilsten Weg entschieden; keiner der anderen war ihnen gefolgt. Alle waren immer noch zu sehen, aber unterhalb von ihnen verstreut zwischen den Bäumen.
Als sie Kitty erspäht hatte, die zwischen Mrs. Archer und Lady Glossup ging, verzog sie das Gesicht. »Ich glaube nicht, dass das, was sie mit Kitty zu tun versuchen, nützen wird.«
Simon schaute zu dem Trio. »Sie absondern?«
»Hier kann sie nicht viel dagegen unternehmen, aber ich wette, wenn wir wieder in Glossup Hall sind, wird es schlimmer als zuvor.«
Simon brummte. Dann fragte er: »Was ist los?«
Sie sah ihn an, bemerkte, dass er sie beobachtet hatte. Und sie hatte Kitty beobachtet, ihre trotzige Miene, ihre unzufriedene Ausstrahlung bemerkt. Versuchte sich vorzustellen, wie sie sich verhalten würde, wenn sie erführe, dass sie ein Kind erwartete. Sie lächelte kurz, schüttelte den Kopf und wandte sich von Kitty ab. »Nichts. Ich habe nur geträumt.«
Sein Blick blieb auf ihr Gesicht gerichtet; ehe er weiter in sie dringen konnte, fasste sie ihn am Arm. »Komm, lass uns dort hinaufgehen.«
Gemeinsam erstiegen sie die Anhöhe, wurden mit der Aussicht in ein tieferes, schlechter zugängliches Tal belohnt, in dem ein Sprung Rehwild ungestört äste.
Sie wurden von den anderen gerufen und gingen zur Gastwirtschaft zurück. Es gab ein paar Unstimmigkeiten über die Frage, wer auf der Rückfahrt mit wem in welcher Kutsche sitzen würde; Kittys Forderung, in James’ Kutsche zu fahren, wurde rundweg ignoriert, Lucy und Annabelle zwängten sich rechts und links von James auf den Sitz seines Zweispänners, dann fuhren sie los, folgten
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