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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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er, und etwas Brüchiges lag in seiner Stimme. »Von meiner Ungewissheit und meiner Liebesleidenschaft, gleich am ersten Abend, wenn Sie mir gezeigt hätten, unmissverständlich und in Ihrer ganzen Nacktheit, dass Sie ein Mann sind.«
    »Sie wären nicht geheilt worden«, antwortete sie und tastete sich selbst Wort für Wort zu dieser Wahrheit. »Nein, Sie wären nicht geheilt worden, einerlei, ob ich Mädchen oder Knabe bin, denn Sie sind in meine Person verliebt, und Ihre Verliebtheit hat mit meinem Geschlecht absolut nichts zu tun.«
    »Ja«, sagte er im gleichen Tonfall wie vorhin, doch diesmal ließ sein Blick sie jede Pore ihrer Haut spüren, und sie fror wie im tiefsten Winter. Es gab immer noch eine Stimme in ihrem Kopf, die rief, sie möge vorsichtig sein, doch Bellino wusste alles über Stimmen, auch, wie man sie erstickte. Eine einzige Hand war diesmal nötig, ihre Hand, die Hand, welche vor seinen Augen in ihre Hose fuhr und mit jenem Teil wieder hervorkam, das ihr Schlüssel und Riegel in der Welt der Männer zugleich war. Der fleischfarbene Gummi lag warm auf ihrer Handfläche.
    Sie konnte ihn unwillkürlich Atem holen hören.
    »Also«, murmelte er, und es war mehr Krächzen als Jubel in seiner Stimme, »das kann ich nicht.«
    »Da siehst du, wie es einengt, nur einem Geschlecht anzugehören.«
    Ehe sie es sich versah, saß er neben ihr, und eine Hand streichelte ihr Gesicht, während die andere Hand mit der ihren um den Besitz des Teiles rang, das ihn so gequält hatte.
    »Eine Kutsche ist fürchterlich unbequem«, sagte er ein wenig atemlos.
    »Das weiß ich«, erwiderte sie und küsste ihn erneut.
    Bis Sinigaglia zu warten war eine süße Qual, doch gleichzeitig eine Entdeckungsreise für all die Dinge, die man miteinander tun konnte, ohne sofort alles voneinander zu verlangen, wie ein Festmahl kleiner köstlicher Vorspeisen vor dem großen Hauptgericht. Mit Appianino war sie noch zu jung und unerfahren gewesen und danach eher bestrebt, Menschen mit so wenig wie möglich abzuspeisen, statt sich gegenseitig zu verwöhnen.
    Es fiel ihnen teuflisch schwer, in Ruhe ihr Gepäck abladen zu lassen und wie vernünftige Menschen mit dem Gastwirt in Sinigaglia zu sprechen, der wissen wollte, ob sie ein oder zwei Zimmer benötigten. Sie bestellten ein Abendessen auf ihr Zimmer, und er war bald damit beschäftigt, ihre Seidenstrümpfe Zoll für Zoll die Beine hinabzurollen, bis der Wirt die Gerichte abgeliefert hatte und das Zimmer endlich ihnen allein gehörte. Schinken und Melonen blieben unangetastet, während sie seinen pochenden Hals mit den abendlichen Bartstoppeln eroberte, die auf ihrer Haut kratzten, und er sich mit Küssen seinen Weg bis zu ihrem Bauch bahnte.
    »Dottore«, sagte er, »es war doch die richtige Rolle für dich, nicht für mich. Du heilst mich.«
    Aber sie verstand nur die Hälfte von dem, was er sagte, während sie beide herumrollten, bis sie auf ihm zu liegen kam. Als er ihre Weste aufknöpfte, zum dritten Mal heute, ließ sie selbst das Hemd folgen und sog den ganzen Raum mit einem Atemzug ein, denn es war ihr, als könne sie zum ersten Mal seit Jahren wieder frei atmen. Die Jahre in Männerkleidung gaben ihren Fingern blinde Sicherheit, wie sie ihn aus Weste und Hosen holen konnte, aber ihre Augen blieben dabei weit geöffnet. Seine waren es, die sie schloss, indem sie einen aufgegebenen Strumpf als Binde dafür benutzte.
    »Mann«, sagte sie und küsste ihn so, wie er sie geküsst hatte, »oder Frau«, und sie ließ einen zweiten Kuss folgen, nach ihrer eigenen Art aus den letzten Tagen in Bologna, ehe sie Bellino geworden war, »was bin ich nun?«
    »Ein Geschenk für einen Glückspilz«, war das Letzte, was sie von dem verstand, was er zu ihr sagte, bevor er in sie eindrang und er sie entdecken ließ, dass sie Muskeln hatte, wo sie keine vermutet hatte, und ihn wie mit zarter Faust halten konnte, einmal, zweimal, wieder und wieder.
    Am Ende wusste sie selbst nicht mehr, was sie war, doch zum ersten Mal seit langem war es ihr nicht mehr wichtig, während sie nicht müde wurden, einander ihre Liebe zu beweisen.
    Melonen wie Schinken erwiesen sich als höchst willkommen, nachdem er vergeblich versucht hatte, das herabgebrannte Feuer im Kamin des Zimmers wieder in Gang zu setzen. Sie waren beide mehr als hungrig.
    »Es gibt also etwas, das du nicht kannst«, meinte sie träge und ließ das Salz des Schinkens sich mit dem süßen Geschmack eines Melonenstücks vermischen.
    »Da gibt

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