Verfuehrung
konnten kaum ihre eigenen Namen buchstabieren, und von den Offizieren schien auch niemand bei lateinischen Satirikern bewandert zu sein. Daher erkannte auch niemand die Anekdote über die römische Kaiserin Messalina, die Giacomo sich ausgeborgt und in venezianische Gewänder gekleidet hatte.
Der erfolgreichste Kartenspieler der Runde war ein gewisser Bepe und stammte seinem Akzent nach aus Neapel. Dafür schien er unter den anderen Soldaten keine Freunde zu haben. Sie machten allerlei anzügliche Bemerkungen über seine Fingerfertigkeit, die ihn jedoch nicht im Geringsten aus der Ruhe brachten, doch verloren sie fast täglich haushoch an ihn. Beleidigen wollte ihn aber auch keiner, denn seine Fähigkeiten mit dem Messer waren berüchtigt. Giacomo hatte bald herausgefunden, dass Bepe zwar hervorragend spielte, sich jedoch nicht scheute, dem Glück auf die Sprünge zu helfen, und gelegentlich Karten aus dem Ärmel zauberte. Er hatte sich aber entschlossen, nichts zu sagen, zumindest nicht vor den anderen.
Ehe er sich eines Abends zu Bett begab, zog ihn Bepe zur Seite, der gemerkt hatte, wie Giacomo immer dann beim Spiel passte, wenn er seinem Glück etwas zu stark nachgeholfen hatte.
»Sie und ich sind die klügsten Leute hier«, sagte der Neapolitaner. Casanova gab einen neutralen Laut von sich und verschwieg, dass er diese Eigenschaft bei seinem Gegenüber noch nicht hatte entdecken können. So offensichtlich zu gewinnen, wie es Bepe getan hatte, hielt er keineswegs für klug, aber Männer sollte man nur dann Dummköpfe nennen, wenn man ihnen aus dem Weg gehen konnte, stärker oder mächtiger als sie war. »Es ist erfrischend, nicht von lauter Idioten umgeben zu sein, so dass ich Ihnen einen Rat gebe: Bilden Sie sich nicht ein, Sie könnten sich auf nur einen von diesen Kerlen wirklich verlassen, wenn es hart auf hart geht.«
»Und ich dachte, Verlässlichkeit, wenn es hart auf hart geht, sei die Berufspflicht jedes Soldaten«, gab Giacomo bewusst erstaunt zurück. »Sie wissen schon, was ich meine. Wenn Ihre Geschichte auffliegt. Und das wird sie«, sagte der Spieler.
Das klang völlig anders als das, was Casanova sich von diesem Gespräch erwartet hatte, und er hörte Bepe misstrauisch zu.
»Hören Sie, Bepe, zweifellos sind Sie als frommer Christ entsetzt über die Zustände in unserer Welt, aber ich kann Ihnen versichern, dass ich nur ein bescheidener Berichterstatter der Wahrheit bin.«
Bepe versetzte ihm einen Rippenstoß. »Wie ich schon sagte. Sie sind nicht dumm. Lassen sich nichts anmerken. So jemanden könnte ich … könnte man gebrauchen. Vielleicht. Wenn Sie hier heil herauskommen.«
»Und warum sollte ich das nicht?«, fragte Giacomo direkt.
»Weil«, entgegnete Bepe mit gesenkter Stimme, »die Contessa nicht diejenige ist, die diese Mahlzeiten schickt, die aber dennoch aus ihrer Küche stammen. Die Kleine, die sie bringt, ist ihre Zofe, das stimmt schon. Aber sehen Sie, ich spiele auch andernorts, und da ist mir heute Mittag doch der Marchese Gian Gastone begegnet, der mich gefragt hat, ob es wahr sei, dass ein Abbate bei uns festsitze, und wissen wollte, wie der hieß. Wenn es sich um einen Venezianer handle, dann täte derjenige, der diesen Abbate zur Hölle schicke, der durch üble Verleumdungen die Ehre Donna Giulias befleckt habe, ihm und natürlich der Contessa einen immensen Gefallen. Aber so diskret wie möglich, damit die Angelegenheit keine Kreise zieht.«
Giacomo blieb stehen und lehnte sich gegen die Wand.
»Ich habe keinen Ton über …«
»Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Und da Sie nicht so blöd sind, mit etwas, das Sie über Donna Giulia wissen, herumzuprahlen, bedeutet das, dass Donna Giulia einen anderen Grund hat, Sie in die Hölle zu wünschen. Am Ende wissen Sie etwas wirklich Wichtiges, das Sie für sich behalten, und sie will sicherstellen, dass Sie es sich nie anders überlegen. Oder aber es geht gar nicht um Sie, und Donna Giulia will ihr Mütchen an jemand anderem kühlen, mit Ihnen als Instrument. Mehr Möglichkeiten gibt es eigentlich nicht! Ist mir auch völlig egal. Der Marchese hat mir schlicht und einfach nur ein Taschengeld geboten. Ich verdiene im Spiel an guten Tagen mehr. Aber früher oder später wird er an jemanden geraten, der knapper bei Kasse ist, und dann wäre ich an Ihrer Stelle besser weit weg von hier, ganz gleich, ob Ihr Pass bis dahin bei uns eintrifft oder nicht, und ganz gleich, wie viele von den Soldaten Sie bis dahin überzeugt
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