Verfuehrung
Herzog blinzelte ein weiteres Mal. Dann entgegnete er: »Ich dachte, Sie wollen von nun an nur noch in weiblichen Rollen auftreten.«
»Ich will als Frau auftreten«, gab sie zurück. »In der Rolle, die das meiste von einer Frau fordert. Ob ich dabei Hosen oder Röcke trage, ist mir gleich.«
»Hm«, sagte er. »Ich glaube, Sie werden mehr als den ersten Monat bei uns überleben.«
Das war, so stellte sich heraus, die Art des Herzogs, zu bestätigen, dass Calori ihren Jahresvertrag hatte. Er überließ es Melani, zu erwähnen, dass er jedoch auf gar keinen Fall einem Mitglied ihrer Familie ebenfalls eine Anstellung am Teatro San Carlo geben wollte. Verlegen fügte Melani hinzu: »Er hat mich nach meiner Meinung gefragt, und da war ich ehrlich. Cecilia hat eine Stimme, die für einen Salon genügt, aber nicht mehr. Als Frau eines Herrn von Stand könnte sie ihre Gäste erfreuen, doch unglücklicherweise wird sie nie in der Lage sein, jemanden von Stand zu heiraten. Marina und Petronio tanzen nicht übel – für ein Straßentheater. Nicht für das Teatro San Carlo. Du weißt, dass ich recht habe.«
Sie wusste, dass sowohl Marina als auch Cecilia ihr vorwerfen würden, sich nicht genügend für sie eingesetzt zu haben. »Erst liegst du uns ständig damit in den Ohren, dass wir mehr üben sollen, damit wir mehr können, als nur die Beine zu spreizen, und dann …«
Das Familienoberhaupt zu sein bedeutete, in solchen Lagen nicht einfach zurückzuzischen und den Finger zu heben und zu sagen: »Wenn ihr mehr auf mich gehört hättet, dann würde euch Melani vielleicht auch anders beurteilen.« Sie überlegte und suchte den Direktor des Theaters von Rimini auf, der es schlecht verbarg, erleichtert zu sein, dass sie sein Angebot mit dem Fünf-Jahres-Vertrag nicht angenommen hatte, weil er ihn in ständigen Konflikt mit dem Gesetz gebracht hätte, jetzt, wo er wusste, dass sie eine Frau war. Wer hätte ihm geglaubt, wenn er dann behauptete, es erst zu spät erfahren zu haben? Als sie ihm nun vorschlug, Cecilia und Marina anzustellen, starrte er sie ungläubig an.
»Aber bei denen weiß doch jeder, dass sie Mädchen sind! Ich bin ein anständiger …«
»Nicht als Sängerinnen«, sagte Calori. »Marina tanzt, wie auch Cecilia, aber die spielt noch verschiedene Instrumente. Das Gesetz innerhalb des Kirchenstaats basiert auf dem Wort des Apostels Paulus, das uns Frauen untersagt, unsere Stimme in der Kirche zu erheben. Gegen das Spielen von Instrumenten und das Tanzen ist es nicht gerichtet.«
»Mag sein. Mag sein. Aber ich habe genügend Figurantinnen, die tanzen, und deren Gehalt wird gewöhnlich von Gönnern bezahlt, nicht von mir. Warum sollte ich also ausgerechnet Ihre Schwestern …«
»Weil dann niemand an Kardinal Acquaviva schreiben und ihn aufklären wird, dass Sie das Gebot, keine Weibsperson dürfe singen, bei hoher Strafe, mit Füßen getreten haben«, sagte Calori brutal und war überrascht, dass sie kein schlechtes Gewissen dabei hatte. Aber es war auch nicht so, als ob sie Almosen verlangte oder Geld für nichts. Marina und Cecilia würden sich ihr Geld verdienen.
Mama Lanti war hocherfreut, als sie von dem Gehalt für ihre Töchter hörte, und wollte nur wissen, warum nicht auch Petronio auf diese Weise zu einer festen Anstellung gekommen war.
»Weil Petronio mich nach Neapel begleitet«, entgegnete Calori offen. »Ich kenne keinen Menschen dort, und ich brauche jemanden, auf den ich mich vollkommen verlassen kann.«
»Und das bin nicht ich?«, fragte Mama Lanti leise. Calori faltete ihre Hände in ihrem Schoß und presste die Knie gegeneinander, weil sie Mama Lanti entweder umarmen oder wegstoßen wollte, und nicht wusste, was die Oberhand gewinnen würde.
»Du bist willkommen, wenn du mich begleiten willst«, antwortete sie, »aber ich dachte, du würdest Cecilia und Marina nicht allein lassen wollen. Schließlich sind sie jünger und brauchen noch eine Mutter.«
»Du bist auch noch sehr jung, mein Kleines«, sagte Mama Lanti voller Zuneigung. »Und du wirst immer eine Mutter brauchen. Jeder von uns tut das.« Ja, dachte Calori, und ich verdiene viel Geld. Vielleicht las Mama Lanti ihr die Gedanken von der Stirn ab, oder das Gefühl für ihre Kinder siegte doch in ihr; die ältere Frau seufzte und fuhr fort: »Aber du hast recht. Die beiden Kleinen brauchen mich mehr. Versprich mir nur, dass ihr uns da unten im Süden nicht vergesst, du und Petronio, und vielleicht hin und wieder ein
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