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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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kann aber nicht zahlen«, sagte Pigozzo misstrauisch. Eines wusste er: Ärzte wollten Geld. Deswegen kam ihm ja auch keiner mehr ins Haus.
    »Das ist auch nicht notwendig. Ihr edler Schwager hat mir während des Studiums mehr als einmal ausgeholfen. Die Zunge, bitte. Und strecken Sie den Arm aus, damit ich auch Ihren Puls nehmen kann.«
    Nun war Pigozzo doch beunruhigt. Venedig steckte voller Krankheiten. Der letzte Pestausbruch lag noch nicht so lange zurück. Und die verfluchten Ausländer schleppten ständig neue Beschwerden ein. Der Dottore besah sich Pigozzos Zunge, wirkte zusehends bekümmerter und fragte schließlich, als könne er Pigozzos Gedanken lesen: »Ist es möglich, dass Sie gelegentlich die Füße von Ausländern …«
    »Der Scheißengländer heute!«, fluchte Pigozzo.
    »Engländer sind die schlimmsten«, bestätigte der Dottore und bat Pigozzo auch noch, das Hemd hochzurollen, damit er ihm die Brust abhören konnte. Mittlerweile spürte Pigozzo selbst, wie alles in ihm schwächer und schwächer wurde, da war er sich sicher. »Vor allem die, die von Pustula Demens gekennzeichnet sind. Hatte derjenige, mit dem Sie es zu tun hatten, am Ende helle bräunliche Flecken im Gesicht?«
    »Bei Gott, ja!«
    Und Pigozzo hatte geglaubt, dass es sich dabei um Sommersprossen handelte, wie sie die Leute aus dem Norden gelegentlich besaßen. Jetzt, wenn er darüber nachdachte, waren es doch zu viele gewesen, ganz zu schweigen davon, dass der Engländer seinen Schnaps verdächtig schnell hergegeben hatte.
    »Hat er genäselt?«
    »Mein Gott«, jammerte Pigozzo, dem schlagartig eine der wenigen Dinge einfiel, die er über Krankheiten wusste, nämlich, dass Schnupfen das erste Symptom der Pest war. »Sagen Sie mir, dass es nicht die Pest ist.«
    »Husten Sie ein paarmal für mich.«
    »Es ist nicht die Pest!«
    »Husten, bitte!«
    Er hustete. Damit war es aber immer noch nicht getan. Der Dottore ließ ihn noch einige Kniebeugen machen, er nahm sich jeden Fleck an Pigozzo vor, und am Ende, als Pigozzo bereits überzeugt war, er sänke am nächsten Tag ins Grab, wurde ihm immerhin versichert, er sei nicht pestkrank. Wozu aber hatte der Arzt ausgerechnet den langen Vogelschnabel umgebunden, den die Mediziner doch nur trugen, um sich vor Ansteckung durch die Pest zu schützen? Pigozzo war sich nicht sicher, ob er sich erleichtert fühlen durfte. Außerdem, so stellte sich heraus, hatte er eine Lungenkrankheit mit einem fürchterlich langen lateinischen Namen, die sich nur hoch in den Bergen, bei den guten Brüdern von Subiaco kurieren ließ. Diese, so hörte er, nahmen auch Laienbrüder auf, die so nicht für Aufenthalt oder Behandlung zahlen mussten, auf keinen Fall jedoch Frauen.
    »Wen kümmert’s?«, ächzte Pigozzo. »Das Weib ist doch nicht krank, ich bin es! Ich will leben!«
    Sollte sie doch schauen, wie sie ohne ihn zurechtkam. Das würde sie vielleicht lehren, endlich dankbar für ihr Schicksal zu sein, jetzt, da es zu spät war. Er brach umgehend nach Subiaco auf, nahm mit, was an Geld noch im Haus war, und einen Brief des Dottore an die Brüder in Subiaco, der vor seinen Augen geschrieben und auf dem Tisch gelassen wurde, weil der Dottore nicht mehr mit ihm in Berührung kommen durfte. Seinen eigenen Namen konnte Pigozzo lesen, und der kam auf dem Blatt oft genug vor. Es war eine Tortur, warten zu müssen, bis der Dottore fertig war, während Bettina ein Bündel für Pigozzo packte, denn mit jedem Herzschlag kam es Pigozzo vor, als spürte er all die Übel in seinem Körper mehr. Es war entsetzlich.

    »Du bist der beste Arzt, den ich je erlebt habe«, sagte Bettina begeistert zu Giacomo, als er sich seiner Verkleidung entledigte. Es war doch nützlich, in einer Stadt zu leben, in der falsche Bärte und Brillen genauso leicht zu mieten waren wie Doktorkoffer, Masken, Mäntel und Talare. »Aber«, fuhr sie traurig fort, »es wird nur ein paar Wochen helfen, vielleicht zwei Monate, es sei denn, er bleibt in Subiaco, und das wäre wohl zu viel zu hoffen.«
    Giacomo grinste. »Es gibt bei den Brüdern wirklich Lungenkranke, aber es spielt keine Rolle, ob er dort bleibt oder nicht. Bis er wieder zurück ist, wenn er überhaupt zurückkehrt, lebst du bei deinem Bruder in Padua, und deine Ehe besteht nicht mehr.«
    »Mein Bruder nimmt mich wohl auch ohne meine verlorene Mitgift auf«, entgegnete Bettina zweifelnd, »aber er hat nicht die Macht, meine Ehe auflösen zu lassen. Geht das nicht nur bei

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