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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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nicht, wer aber vorher sündigt, schläft nachher viel besser, wie du heute Morgen wieder gesehen hast.«
    »Untersteh dich!«, drohte sie ihm.
    »Bellino, Teuerster, als ob jemand schlafen könnte, wenn du singst.«
    »Ich werde jetzt nicht fragen, ob du das als Kompliment oder Kritik meinst.«
    »Und damit hast du mich gerade gefragt, gib es zu!«
    Sie schnitten einander Grimassen, und Bellino verschwand in Richtung des Chorgestühls, während Petronio sich für seine Verhältnisse gesittet unter die übrigen Kirchgänger mischte. Da sie beide etwas spät waren, gab es für ihn keine Möglichkeit mehr, einen Sitzplatz zu finden, und er stand zwischen den übrigen Spätankömmlingen. Es überraschte sie nicht, ihn in Begleitung eines anderen Mannes zu finden, als sie ihn nach der Messe wieder traf, doch was sie überraschte, war, dass dieser Mann nicht wie einer von Petronios üblichen »Gönnern« wirkte. Überrock und Hosen waren schwarz und schlicht, und nur ein dünner Goldbesatz am Rand des Rocks wies darauf hin, dass dies kein Ausdruck von Armut, sondern Eleganz war. Auch trug der Herr keine Perücke, wohl aber Bart und Schnurrbart, und beides war so graumeliert wie sein Haupthaar. Unter seinen rechten Arm hatte er einen Hut geklemmt, den er schwenkte, als sie zu ihnen trat, jedoch nicht aufsetzte, weil sich dies innerhalb einer Kirche nicht gehörte.
    »Mein Bruder Bellino, der Sänger, dessen klangvolle Stimme Sie gerade so bewundert haben«, sagte Petronio hilfsbereit. »Bellino, dies ist Don Sancho Pico.«
    »Aus dem schönen Kastilien«, setzte der Fremde mit einem deutlichen Akzent, doch in fließendem Italienisch neapolitanischer Prägung, hinzu. »Ich habe die Ehre, die Armee Seiner katholischen Majestät zu verpflegen, die der Graf Gages unter dem Befehl des Generalissimus, des Herzogs von Modena, kommandiert. Ich war nur darauf gefasst, meine Seele zu reinigen und die Fastenzeit zu beginnen, doch dann hat Ihre Stimme, mein Herr, jeden Versuch völlig zunichtegemacht, nur an die Jämmerlichkeiten dieser Welt zu denken und nicht an das Schöne.«
    »Nun, niemand hat je behauptet, dass man seine Seele nicht durch das Schöne reinigen kann«, sagte sie und verbeugte sich ihrerseits. »Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Don Sancho.«
    »Don Sancho ist im falschen Gasthof abgestiegen«, sagte Petronio. »Ich habe ihm bereits mitgeteilt, dass der unsrige viel besser geführt ist, und angeboten, ihm bei der Umsiedelung zu helfen.«
    Da er das ohne Augenzwinkern oder anzüglichen Tonfall sagte, konnte sie ihrerseits keinen Ärger zeigen, aber sie fand, dass Petronio viel riskierte, wenn er einen Aschermittwochsgottesdienst dazu missbrauchte, nach neuen Gönnern zu suchen.
    »Don Sancho hat doch gewiss eigene Diener«, sagte Bellino daher sanft, aber unmissverständlich. Petronio warf ihr einen gereizten Blick zu, doch Don Sancho lachte.
    »Gewiss habe ich die. Jetzt, wo der Krieg vorbei ist und unsere Truppen nur noch den Frieden sichern müssen, sucht so mancher Soldat eine neue Stelle, und ich habe bereits zwei in meine Dienste genommen. Aber für etwas Hilfe wäre ich trotzdem dankbar, wenn denn der Wirt in Ihrem Gasthof überhaupt noch freie Zimmer hat.«
    »Heute reisen bereits ein paar Karnevalsgäste ab«, sagte Petronio schnell.
    »Sie noch nicht?«, fragte Don Sancho.
    Sie hatten nicht genügend Reisegeld für die gesamte Familie beisammen. Bellino würde erst ein paar ihrer Kostüme wieder verkaufen müssen, doch mit dem Ende des Karnevals würde es nur schlechte Preise dafür geben. Davon sprach sie jedoch nicht, sondern lenkte das Gespräch auf andere Themen.
    »Nein«, sagte sie nur. »Ist denn der Friede wirklich dauerhaft? Verzeihen Sie die Frage, aber der Krieg währt nun schon so lange, und es hat so viele Waffenstillstände gegeben, von denen wir hörten …«
    »Die Habsburger haben ihre Ansprüche auf Neapel endgültig aufgegeben, das kann ich Ihnen versichern. Sie haben genügend Probleme damit, die übrigen deutschen Fürsten dazu zu bringen, eine Frau auf dem Kaiserthron zu akzeptieren, und die Preußen davon abzuhalten, sich ganz Schlesien einzuverleiben.«
    »Dann ist Neapel also wieder spanisch.«
    »Neapel ist ein eigenes Königreich mit einer spanischen Herrscherfamilie und unter spanischem Schutz«, sagte Don Sancho geschmeidig. »Da wir jahrzehntelang eine italienische Königin in Spanien gehabt haben, finde ich das nur gerecht.«
    »Die Neapolitaner sind gewiss

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