Verführung auf Burg Kells (German Edition)
Und sie warten schon gar nicht ein Begräbnis ab. Räuber würden sich so schnell wie möglich mit ihrer Beute aus dem Staub machen.“
„Ich kenne keine Familie mit dem Namen Somers oder Leyland in unserer Gegend.“
„Es gibt einen Ort namens Leyland im englischen Lancashire, aber dieser Mann ist ein schottischer Lowlander.“
„Irgendetwas stimmt an der ganzen Sache nicht, Ebbie. Und wir müssen herausfinden, in wessen Auftrag die Kerle hier sind und was sie eigentlich suchen. Sie haben sich die Pferde in den Stallungen genau angesehen und haben Männer auf die Weiden geschickt, um die Galloways in die Koppeln zu treiben.“
„Warum?“
„Wenn ich das wüsste.“
Das Züchten von Galloways war Sir Josephs große Leidenschaft gewesen. Die stämmigen Pferde waren trittsicher auf jedem Gelände und als Reitpferde ebenso geeignet wie als Packtiere. Sie waren stark und schnell und besaßen eine erstaunliche Ausdauer. Das ganze Jahr im Freien, verschmähten sie weder Heidekraut noch trockenes Berggras. Tagsüber verschmolzen die dunkelbraunen Pferde mit den felsigen Berghängen, und auch nachts konnten sie nicht erkannt werden. Der Lord of Kells hatte seine Zucht mit einer kleinen Herde seines Großvaters begonnen und besaß nunmehr den größten Bestand an Galloways in den Lowlands von Schottland. Immer wieder wurden einige der kostbaren Pferde gestohlen, und für Meg und Ebony schien die Antwort nach dem Begehren der Fremden auf der Hand zu liegen.
„Pferdediebe“, sagte Ebony. „Das wird es sein. Aber was wollen sie auskundschaften?“
„Das scheint eine List zu sein. Mein Vater hat seine Galloways an die Armee von König Robert verkauft und ist damit reich geworden. Wenn die Kerle uns die Pferde wegnehmen, sind wir ruiniert.“
„Und warum tischen sie uns ein Ammenmärchen über ihr Vorhaben auf? Sie könnten doch zugeben, dass sie keine Räuber sind, und uns irgendeine weniger beängstigende Geschichte erzählen, schließlich können wir nicht nachprüfen, ob sie die Wahrheit sagen. Jedenfalls sind die beiden Anführer mit allen Wassern gewaschen und hinterhältig wie zwei Füchse.“
„Aber diese sauberen Herren haben es mit uns zu tun, vergiss das nicht, und wir sind schlauer als sie, das haben sie nur noch nicht begriffen. Wenn wir ihr Vorhaben durchschaut haben, können wir Pläne machen, wie wir sie loswerden. Komm, wir gehen nach unten und plaudern ein wenig mit unseren reizenden Gästen.“
Der Zufall wollte es, dass sie Master Hugh of Leyland allein im Flur vor dem Rechnungskontor vorfanden, der sich von den beiden Frauen wie ein verdutzter Ochse in einen Verschlag drängen ließ. Zunächst entzückt über die Aufmerksamkeit der Damen, erstarrte sein Lächeln beim zweiten Blick in ihre frostigen Mienen, um dann vollends zu schwinden. „Meine Damen“, sagte er beklommen und stieß bei seinem Rückzug gegen das quadratische Rechenbrett. „Womit kann ich dienen?“
„Wie wäre es zur Abwechslung mit der Wahrheit?“ meinte Ebony spitz. „Aber bitte ohne schmückendes Beiwerk. Wir durchschauen Euer Spiel nämlich ohnehin.“
„Die Wahrheit … welche Wahrheit?“
Drei kleine Fenster blickten auf den inneren Burghof, davor stand ein langer Tisch, auf dem sich Rechnungsbücher stapelten, Geldkassetten, Pergamentrollen, Beutel mit Münzen, Tintengefäße und Federkiele. An den senkrecht angeordneten Stäben des grün-schwarzen Rechenbretts waren die Kugeln für den nächsten Rechnungsvorgang geordnet. Die beiden Frauen standen im Türrahmen, die Hand bedrohlich nah am Dolch, den jede im Gürtel stecken hatte.
„Die Wahrheit über Eure Absichten, Sir. Was wollt Ihr wirklich von uns?“ fragte Meg eisig.
Zu ihrer Verblüffung machte Sir Hugh keine Ausflüchte. „Wir sind im Auftrag des Königs hier“, antwortete er, „und wollten Euch in Kürze davon unterrichten.“
„Wie aufmerksam“, erwiderte Ebony. „Allerdings erfahren wir das erst, nachdem Ihr die ganze Burg in Angst und Schrecken versetzt habt. Welcher König?“
Hugh, dem sein Versäumnis klar wurde, machte ein betretenes Gesicht. „Der König von Schottland, Robert Bruce“, antwortete er. „Ihr glaubt doch nicht etwa …?“
„Aber nein“, fiel Meg ihm schneidend ins Wort. „ Wir Frauen denken doch nicht, das überlassen wir den Männern. Und nun sprecht bitte langsam und deutlich, Master Leyland, damit wir es auch verstehen, wenn Ihr uns erklärt, warum Ihr gewaltsam in die Burg meines Vaters eingedrungen
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