Verführung der Unschuld 2
Mobiliar kann man sich allerdings streiten. Bei einigen Möbelstücken kann ich nicht nachvollziehen, was Federico daran findet.«
Das mochte stimmen, denn die schönsten dieser antiken Möbel zierten nun ihre Wohnung in Tante Ilarias alter Landvilla, in der sich Giulia ausgesprochen wohl fühlte.
Sie bogen in eine kleine Gasse ab, an deren Ende sich ein weitläufiger Platz öffnete und den Blick auf die Fassade einer großen Kirche freigab.
»San Martino«, erklärte Giulia. »Die Kathedrale ist rund neunhundert Jahre alt.«
»Kann sich sehen lassen«, stellte Mariella fest und schaute den hohen Turm hinauf. »Erinnert mich ein bisschen an die Kathedrale von Pisa. Das hat damals bestimmt ein Schweinegeld gekostet. Und das arme Volk, das dafür spenden musste, hatte kaum Geld um das Notwendigste zum Leben zu kaufen.«
Giulia nickte zustimmend. Bei aller Pracht solcher Kirchen vergaß man oft, unter welchen Entbehrungen diese während ihrer Bauzeit entstanden waren.
»Willst du hinein gehen?«
Ihre Schwägerin winkte ab. »Danke, das mache ich ein andermal, heute muss das nicht sein. Da drin ist es bestimmt ziemlich kalt. Die Fassade mit den vielen Säulen sieht jedenfalls ganz schön imposant aus.«
Es gefiel Giulia, wie ihre Schwägerin dachte. Zwar ging Giulia dann und wann gerne in die Kirche, weil sie die Stille schätzte und sie innerlich gestärkt heraus kam. Aber man musste es ja nicht übertreiben und jede Kirche des Ortes in- und auswendig kennen.
»Was mich nur wundert«, überlegte Mariella mit gerunzelter Stirn, »der Ort war damals doch bestimmt viel kleiner als heute. Wieso hat man in Lucca einen gar so großen Dom gebaut?«
Giulia lächelte wissend. Sie sollte Onkel Bruno dankbar sein, dass er sie so oft mit Geschichtswissen gelangweilt hatte. Nun machte sich das nützlich.
»Weil die Geschichte Luccas sich durchaus mit der von Florenz und Rom messen kann«, entgegnete sie. »Zuerst lebten hier die Etrusker, später die Römer, die Langobarden und schließlich die Karolinger. Alle haben hier ihre Spuren hinterlassen. In Gebäuden, der Straßenführung und Kunstwerken. Und schließlich wurde Lucca eine freie Gemeinde. Ich glaube, dass war im zwölften Jahrhundert, und dann erlebte die Stadt eine wirtschaftliche Blütezeit, und so kam auch das Geld für den Dom zusammen. Sollen wir weiter gehen?«
»Ja, lass uns weiter schauen.«
Gemeinsam schritten sie eine Gasse entlang, die durch besonders sorgfältig restaurierte Fassaden bezauberte. Aber auch das eine oder andere Geschäft weckte Mariellas Interesse. Aufmerksam taxierte sie die Auslagen und Giulia war sich sicher, dass in Mariellas Kopf eine mentale Liste entstand: muss ich mir merken – gutes Sortiment – ist nicht interessant – kannst du vergessen – gut sortiert …
»Du bist eine prima Touristenführerin. Erzähl mir mehr über die Stadt.«
Huh, da gab es nicht mehr so viel. Giulias Repertoire war inzwischen weitgehend erschöpft. »Nun ja, die Stadt war ziemlich lange unabhängig. Erst als Napoleon die Stadt besetzte, war es vorbei damit. Ach ja, und später fiel Lucca dann an das Königreich Italien.«
»Aha. Wie so mancher andere kleine Stadtstaat.«
Einen Teil der Informationen hatte Giulia sich für diesen Tag auch extra angelesen. Vermutlich war das nicht von Belang und Mariella hatte keine so tiefgreifenden geschichtlichen Hintergründe erwartet. Schuld an Giulias persönlichem Ehrgeiz, gut vorbereitet zu sein, waren die Aufgaben, welche die
Gemelli
ihr als Teil eines erotischen Lehrer-Schülerin-Spiels auferlegt hatten. Sie hatte Geschichtsdaten auswendig lernen müssen und war von den beiden abgefragt worden, und für jeden Fehler hatte sie eine erotische Bestrafung erhalten. Irgendwie war das verpflichtende Gefühl hängen geblieben, sich für besondere Ereignisse vorzubereiten, wenn dies möglich war.
»Also, ich muss sagen. Die Geschäfte sind gar nicht so übel. Ich hab schon gedacht, hier findet man nichts zum Anziehen.« Mariella blieb vor einer Auslage stehen. »Aber in dieser Boutique würde ich vermutlich fündig.«
»Na ja, es ist natürlich keine Auswahl wie in Rom«, entgegnete Giulia augenzwinkernd.
»Ach so, du meinst, ich bin eine Römerin? Nein. Ich komme aus Milano. Na ja, das ist natürlich schon ein wenig größer als Lucca. Aber ehrlich, so wichtig ist das für mich nun auch wieder nicht. Mein Kleiderschrank ist ziemlich gut gefüllt, und überhaupt, es gibt Wichtigeres im Leben …«
»Das
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