Verfuehrung im Mondlicht
aber nach der sicheren Art und Weise, wie der Mann ihn benutzte, konnte man annehmen, dass er sich nicht zum ersten Mal zu dieser Zeit Zugang zu dem Gebäude verschaffte.
Kurz zuvor hatte Trimley seine eigene Droschke hinter der Ecke der nächsten Straße verlassen. Offensichtlich wollte er nicht, dass der Kutscher die genaue Adresse seines Ziels erfuhr.
Er ist ein sehr vorsichtiger Mann, dachte Ambrose. Allerdings sollte ein Gentleman, der sich mit einem Verbrecherlord einließ, besser auch vorsichtig sein.
In dem kurzen Moment, in dem Trimley die Tür zu den Bädern aufzog, sah Ambrose ein schwaches Licht im Inneren des Gebäudes. Entweder hatte ein Bediensteter eine Lampe brennen lassen, oder jemand anderes war bereits vor Trimley hineingegangen. Möglicherweise Larkin.
Die Tür fiel hinter Trimley zu.
Ambrose wartete noch einige Minuten. Er wollte abwarten, bis der Mann auf seine wie auch immer gearteten Geschäfte konzentriert war, denen er hier nachgehen wollte. Schließlich überquerte Ambrose die Straße und stellte fest, dass Trimley die Tür nicht abgeschlossen hatte. Das deutete darauf hin, dass er sich nicht lange hier aufhalten wollte.
Ambrose zog die Tür vorsichtig auf. Das kleine Foyer lag fast vollkommen im Dunkeln. Das dämmrige Licht, das ihm vorhin aufgefallen war, drang aus dem Spalt einer angelehnten Tür, die in den nächsten Raum führte.
Ambrose glitt in das Foyer, schloss das Portal fast geräuschlos hinter sich und schritt zu der angelehnten Tür.
Er war schon einmal hier gewesen, als er seine Ermittlungen zu Nellie Taylors Tod aufgenommen hatte. Bei diesem Besuch hatte er sich als Badegast getarnt ausreichend Kenntnis von dem Inneren der Bäder verschafft. Der Architekt dieses Gebäudes bevorzugte offensichtlich den finsteren gotischen Stil. Hohe Gewölbedecken und tiefe Türstürze warfen tiefe Schatten.
Ambrose drückte die Tür zum Umkleideraum etwas weiter auf und musterte die Reihen der mit Vorhängen verhängten Kabinen. Eine Wandlampe spendete genug Licht, dass er den großen Stapel mit weißen Handtüchern auf einem Wäschekarren erkennen konnte.
Von Trimley war nichts zu sehen, aber er hörte rasche Schritte, die auf den Fliesen irgendwo tiefer im Bad hallten. Ein Gentleman in Abendanzug und dazu passenden Schuhen, schloss er.
Ambrose ging durch den Umkleideraum und kam in den ersten Schwitzraum. Die Temperatur war bereits vor Stunden gesenkt worden, als die Bäder geschlossen hatten, doch es war immer noch sehr warm. Eine Wandlampe mit einer matten Birne warf gelbliches Licht auf die glänzenden, weißen Fliesen.
Ambrose bahnte sich einen Weg zwischen den Bänken und Stühlen hindurch, welche die Gäste am Tag benutzten, begab sich zu einer anderen Tür und öffnete sie vorsichtig.
Die Gaslampe in diesem Raum war ebenfalls heruntergedreht, aber er konnte den Schatten des großen, viereckigen Beckens in der Mitte des Raumes erkennen.
Irgendwo im Dunkeln tropfte Wasser.
Er ging langsam zu dem Durchgang auf der anderen Seite des Raumes.
Auf halbem Weg erblickte er den dunklen Umriss, der unmittelbar unter der Wasseroberfläche des Kaltwasser-Beckens trieb.
Auf den ersten Blick schien es der achtlos ins Wasser geworfene Übermantel eines Gentlemans zu sein. Dann sah er die blassen, leblosen Hände, die aus den Ärmeln herauslugten.
Die toten Augen des Mannes schienen Ambrose aus ihren Höhlen merkwürdig vorwurfsvoll anzustarren.
Alexander Larkin.
In dem angrenzenden Baderaum flog eine Tür krachend auf. Der Lärm erschütterte die gespenstische Stille. Dann hörte Ambrose hastige Schritte auf den Fliesen.
Es waren nicht dieselben Schritte, die er vorhin gehört hatte, aber sie gehörten jemandem, der eindeutig auf der Flucht war.
Ambrose trat durch die Tür in den Raum mit dem Warmwasser-Becken und sah gerade noch die Gestalt eines Mannes, der das breite Becken umrundete und zu dem hohen, gewölbten Ausgang einer dunklen Halle strebte.
Ambrose rannte los. Er holte rasch auf, als der panische Mann auf den glatten Fliesen vor dem Durchgang plötzlich rutschend zum Stehen kam und die Hände hob.
»Nicht schießen.« Er taumelte zurück. »Bitte nicht, ich sage es niemandem, das schwöre ich.«
Ambrose blieb stehen und tauchte in die Schatten der Vorhänge der Kabinen rechts von ihm ein. Er konnte den Mann, den er verfolgt hatte, jetzt deutlicher sehen. Er war dünn und von einem harten Arbeitsleben gebeugt. Seine Mütze und die schwere, wasserdichte Schürze
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