Verfuehrung im Mondlicht
teilzunehmen. Ich hätte es besser wissen sollen.«
»Oh, Ambrose, das ist nicht fair! Ich fand, ich bin mit dieser Situation sehr gut fertig geworden.«
»Das bist du auch. Deshalb bin ich nicht besorgt.«
»Was macht dir dann Sorgen?«, erkundigte sie sich. Ihr gefiel die vertrauliche Anrede.
»Die Tatsache, dass er dein Gesicht aus der Nähe gesehen hat und dich jemandem beschreiben könnte.«
»Deswegen brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, versicherte sie ihm. »Das dämmrige Licht und die Tatsache, dass er ziemlich betrunken war, ganz zu schweigen von dem, was du da drin mit ihm angestellt hast, dürfte dafür sorgen, dass er sich nur an wenig, wenn überhaupt an etwas erinnert, was ihm heute widerfahren ist. Ich bin sicher, dass er nicht in der Lage ist, mich zu beschreiben. Außerdem achtet niemand auf ein Dienstmädchen.«
»Darüber unterhalten wir uns später. Im Moment haben wir keine Zeit zu verschwenden.«
Er ging so schnell, dass Concordia bei jedem zweiten Schritt einen kleinen Satz machen musste, damit sie mithalten konnte. »Wie hast du mich gefunden?«
»Eines der anderen Mädchen in dem Ruheraum sagte, dass du in den Flur gegangen wärest.«
Sie gelangten auf eine Empore, von der aus man den Ballsaal überblicken konnte. Concordia hörte sprödes, unsicheres Gelächter und träge Stimmen. Sie schaute auf die glitzernde Szenerie hinunter. Das Licht der Kristalllüster ließ die Juwelen der Damen funkeln und betonte die Eleganz der Gentlemen in ihren schwarzen Fräcken. Wie ein Blick in eine andere Welt, dachte sie, eine ziemliche Seifenblase von Welt allerdings.
»Ich bedauere, dass du dein Märchen nicht genießen konntest«, sagte Ambrose leise.
Concordia sah ihn an. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass nichts, was da unten im Ballsaal passiert, auch nur halb so aufregend ist wie das Abenteuer, das wir erleben. Dein Beruf ist äußerst interessant, Ambrose.«
Er wirkte überrascht, doch dann lächelte er sie an. »Eigentlich fand ich ihn immer eher langweilig.«
»Warum haben wir es so eilig?«, wollte sie wissen. »Was ist passiert? Hast du Trimley gesehen?«
»Ja. Er kam mit Mrs. Hoxton und ist den ganzen Abend um sie herumscharwenzelt.«
»Ausgezeichnet. Warum hast du mich dann gesucht? Wolltest du ihn nicht beobachten?«
»Stimmt. Aber vor wenigen Minuten hat einer der Lakaien ihm ein Billett übergeben. Was auch immer darin stand, scheint Trimley in Aufregung versetzt zu haben. Er hat sich ziemlich hastig bei Mrs. Hoxton und den anderen entschuldigt und den Ballsaal unauffällig verlassen. Ich bin ihm gefolgt und habe gehört, wie er nach seinem Hut, dem Mantel und einem Einspänner gerufen hat.«
»Er will gehen?«
»Ja. Aber mit etwas Glück wird es eine Weile dauern, bis er eine Droschke findet. Die Straße ist von den Kutschen der vielen Gäste verstopft.«
»Warum hat er nicht einfach Mrs. Hoxtons Kutsche genommen?«
»Wahrscheinlich, weil er nicht wollte, dass ihr Kutscher mitbekommt, wohin er fährt«, sagte Ambrose zufrieden.
Concordia spürte ein aufgeregtes Kribbeln in ihrem
Bauch. »Glaubst du, dass er zu einem heimlichen Rendezvous will?«
»Allerdings. Irgendwie schien er es sehr eilig zu haben, als er sich entschuldigt hat und aus dem Ballsaal verschwunden ist.«
»Was machen wir jetzt?«
»Eigentlich hatte ich vor, dich hier zurückzulassen, während ich ihm folgte. Etwas an dieser Nachricht hat ihn alarmiert. Ich möchte sehen, wohin er geht.«
»Ich will mitkommen!«, stieß sie hervor.
»Keine Angst, du kommst ganz bestimmt mit«, erklärte Ambrose grimmig. »Nach dieser unglückseligen Episode in dem Besenschrank gehe ich schwerlich das Risiko ein, dich alleine hier zu lassen.«
»Aber Ambrose, du machst viel zu viel Aufhebens von diesem lächerlichen Vorfall.«
»Lächerlicher Vorfall? Dieser Mann hat versucht, dich zu vergewaltigen!«
»Es ist nicht das erste Mal, dass ich mit dieser Sorte Mann aneinander geraten bin. In meiner Karriere als Erzieherin junger Damen musste ich etliche männliche Verwandte meiner Schülerinnen in die Schranken weisen. Du würdest dich wundern, wie viele so genannte Gentlemen nicht zögern, sich einer jungen Frau aufzudrängen, von der sie glauben, dass sie allein steht und über keinerlei Mittel verfügt.«
Ambrose schaute sie an und lächelte bewundernd. »Ihr habt wirklich ein sehr abenteuerliches Leben geführt, Miss Glade.«
»Ihr doch auch, Mr. Wells.«
Sie bogen um eine Ecke und mischten sich in
Weitere Kostenlose Bücher