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Verfuehrung im Walzertakt

Verfuehrung im Walzertakt

Titel: Verfuehrung im Walzertakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Styles
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lief sie auf das Wäldchen zu.
    Kurz darauf erreichte sie atemlos die verschmutzte Gestalt und zog sie an sich. „Robert!“ Sie küsste ihren Neffen, um ihn gleich darauf streng anzusehen. „Was um Himmels willen machst du hier? Du solltest in der Schule sein.“
    „Lass mich los, Tante Diana.“ Robert strampelte sich aus ihrer Umarmung frei. Seine Kniehosen waren verschmutzt, als hätte er sich im Matsch gewälzt, und seine neue Jacke zeigte einen klaffenden Riss. Eine einzelne Träne lief über seine Wange. „Ich bin kein Baby mehr. Ich bin schon neun.“
    „Robert Clare, antworte mir“, sagte sie erneut und kniete sich vor ihn. „Warum bist du nicht in der Schule?“
    Robert steckte die Hände in die Taschen. „Sie haben mich für etwas bestraft, das ich nicht getan habe. Ich habe die Stinkbombe nicht gemacht.“ Seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Alle geben immer mir die Schuld.“
    „Gibt es Schwierigkeiten, Diana?“ Brett war herangekommen und trat nun an ihre Seite. „Wer ist dieses Kind?“
    „Das ist mein Neffe.“ Diana schaute über ihre Schulter in Bretts fragendes Gesicht. „Er ist aus der Schule ausgerissen.“
    „Und ich gehe nie wieder zurück.“ Roberts Stimme klang schrill. Sie sah, wie er das Gesicht schmerzlich verzog. „Ich bin hergekommen, um mich von Rose und Titch zu verabschieden.“
    „Titch?“, fragte Brett ruhig nach.
    „Unser Terrier.“
    Brett nickte verstehend.
    „Aber Robert, du gehst doch gern zur Schule. Den ganzen Sommer über hast du von nichts anderem gesprochen.“ Diana drückte ihn erneut an sich.
    „Ich hasse die Schule, die ist ganz blöd. Ich brauch sie auch nicht, um ein Pferd zu reiten.“
    „Unterschätze nie die Bildung“, bemerkte Brett sachlich. „Es gibt vieles, das du lernen musst, denn das Leben besteht nicht nur aus Pferden und Reiten.“
    „Aber in Griechisch und Latein geht es immer nur um tote Leute.“
    Bretts Mundwinkel zuckten nach oben, und Diana kämpfte gegen ein Lachen an.
    „Die Römer waren ausgezeichnete Baumeister“, sagte Brett. „Sie bauten Brücken und Aquädukte, die heute noch stehen. Außerdem haben sie Pferderennen veranstaltet und Triumphwagen gebaut.“
    „Das wusste ich nicht.“ Robert ließ den Kopf hängen.
    „Deshalb schickt dich dein Vater ja zur Schule, damit du davon erfährst“, erwiderte Brett ruhig. „Du solltest zurückgehen.“
    „Wer … wer sind Sie?
    „Das ist Lord Coltonby. Ihm gehört jetzt Ladywell Park, und er ist ein Freund“, stellte Diana vor, darauf hoffend, Robert würde zur Vernunft kommen.
    „Lord Coltonby?“ Das Gesicht des Jungen leuchtete auf. „Ihre Pferde haben das Derby und einige andere Rennen gewonnen.“
    „Du kennst dich gut aus.“
    „Wenn ich Rupert und Henry erzähle, dass ich Lord Coltonby getroffen habe …“
    „Ich dachte, du wolltest nicht mehr in die Akademie zurückkehren?“, fiel Diana ihm ruhig ins Wort. „Wie willst du es ihnen da erzählen?“
    „Das stimmt allerdings.“ Die Hände in den Taschen vergraben zog Robert mit der Stiefelspitze einen Strich in die Erde. „Aber zurück gehe ich trotzdem nicht.“
    „Robert, wie bist du hierhergekommen?“ Brett sprach leise, als wolle er ein wildes Tier beruhigen.
    „Ein Viehhirte hat mich mitgenommen. Ich dachte, er sei nett, aber das war er nicht. Er hat seine Pferde geschlagen. Mich wollte er auch schlagen, weil ich kein Geld bei mir hatte, aber ich bin ihm entwischt.“
    Diana unterdrückte einen Schrei und wollte nach Robert greifen. Doch Brett bedeutete ihr, sich zurückzuhalten.
    „Das war sehr findig von dir.“
    Robert neigte den Kopf. „Tatsächlich?“
    „Ja, du bist nur knapp entkommen, und das weißt du auch“, sagte Brett. „Du bist ein kluger Junge, nicht wahr? Du weißt doch, was Ausreißern zustoßen kann?“
    Robert nickte zaghaft, all seine Tapferkeit schien sich in nichts aufzulösen. „Ja.“
    „Man wird sich Sorgen um dich machen.“
    „Ich wollte … ich wollte nur nach Hause“, flüsterte Robert. „Ich wollte Papa sehen, damit er alles richtet. Das sollte ein Vater doch tun.“
    „Ja, das sollte er, manchmal indes vergessen Väter das.“ Bretts Miene schien unnahbar, sein Blick in weite Ferne gerichtet. Er sprach von einem anderen Vater. Dianas Herz zog sich zusammen vor Mitleid für den kleinen Jungen, der er einst gewesen sein musste. War auch er aus der Schule ausgerissen? Welchen Gefahren hatte er sich stellen müssen? Hatte dies ihn etwa zu dem Mann

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