Verfuehrung im Walzertakt
ihm, sich bettfertig zu machen, bemüht, nicht vor den rötlich schimmernden Brandblasen auf seinem Körper zurückzuschrecken. Robert rannte herbei, doch als er seinen Vater gewahrte, blieb er unschlüssig an der Tür stehen. Ihm erklärend, sein Vater sei müde, ging Diana rasch hinüber und schloss die Tür.
Mit krächzender Stimme rief Simon ihr vom Bett aus zu: „Glaub diesem Coltonby kein Wort. Er ist ein besserwisserischer Fatzke!“
„Du bist erschöpft, Simon, und hattest Glück, dass Lord Coltonby sich vernünftigerweise nicht von dir verunglimpft fühlte. Männer wie er pflegen wegen so etwas Duelle auszutragen.“
„Ich bin ihm ebenbürtig.“ Mühsam setzte Simon sich auf. „Schaff ihn her! Er ist dir zu nahe getreten. Er hat dir seine Aufmerksamkeit bloß geschenkt, weil er das Land von mir will. Deshalb ist er ja auch zur Zeche gekommen. Ich habe keine Angst davor, dich zu rächen. Ich bin ein guter Schütze.“
„Das weiß ich“, sagte Diana beschwichtigend und fragte sich, woher Simon wusste, dass Brett sie verführt hatte. Oder vermutete er dies etwa nur? Fürsorglich deckte sie ihren Bruder zu.
„Sie lief, Diana. Sie hat sich bewegt. Bei den Schienen liegt der Fehler. Ich spüre es förmlich in meinen Knochen. Nicht die Dampfmaschine ist das Problem, sondern die Schienen, auf der sie fährt.“
„Schlaf jetzt, darüber können wir später sprechen.“ Sie zog ihm die Decke unters Kinn.
„Du bist ein guter Mensch. Halt Coltonby von dir fern. Er will dich nur benutzen, Diana.“
„Ich kann nicht darüber bestimmen, wo sich Lord Coltonby aufhält. Und du solltest ihm auf Knien danken, dass er dir das Leben gerettet hat.“
„Er hat mich abgelenkt, allein deswegen ist die Maschine außer Kontrolle geraten.“ Simon hob die Hand. „Trotz seines Mutes ist der Mann bloß ein Geck. Er ist aus demselben Holz geschnitzt wie alle Aristokraten.“
„Du irrst dich, Simon.“
„Ich weiß, ich habe recht.“
Diana ließ ihren Bruder allein. Simon war zu einem Streit aufgelegt, sie indes nicht. Sie war sich sicher, dass er sich in Brett täuschte.
Sie machte sich auf die Suche nach ihm und fand ihn schließlich mit Robert spielend im Esszimmer vor. Brett hatte seinen Gehrock abgelegt, und Robert saß auf dem Tisch, vier Stühle vor sich, die so aufgebaut waren wie die Pferde eines Gespanns. „Robert Clare! Runter da mit dir.“
Unverzüglich kam Robert ihrer Anweisung nach. Reumütig senkten er und Brett die Köpfe.
„Ich dachte, Robert täte ein wenig Ablenkung gut“, rechtfertigte Brett sich.
„Muss man sich dazu auf den Tisch setzen?“
„Aber ich brauchte doch einen Kutschbock, Tante Diana. Lord Coltonby sagt, ich verfüge über ein angeborenes Talent im Führen der Zügel.“
Diana warf Brett einen scharfen Blick zu, doch er zuckte bloß unbekümmert mit den Schultern.
„Man muss es den Jungen nur richtig lehren. Wie geht es dem Patienten?“
„Robert, geh bitte zu Rose“, sagte Diana. Der Knabe wollte schon aufbegehren, aber ein Blick von Brett ließ ihn verstummen.
„Ja, Tante Diana.“ Folgsam verließ Robert das Zimmer.
„Ich wollte ihn ein wenig aufmuntern.“ Brett stellte die Stühle wieder ordentlich an den Tisch.
„Dennoch sollte ein Tisch nicht zum Kutschbock gemacht werden.“
„Dein Neffe ist besorgt um seinen Vater. Er brauchte eine Zerstreuung.“
„Und du suchtest sie ihm zu geben. Wie aufmerksam von dir.“ Diana verschränkte die Arme. Ohne darum gebeten worden zu sein, hatte Brett sich nützlich gemacht. Stimmte Simons Annahme etwa doch? Ging es Brett tatsächlich nur um das Stück Land?
„Ich gebe mein Bestes. Ich wollte dir zeigen, wie aufmerksam und gefällig ich sein kann.“ Er verbeugte sich galant.
„Du willst dich mir also lediglich … gefällig erweisen?“
„Du bist aufgewühlt, Diana.“ Er wollte sie in seine Arme ziehen, doch sie rührte sich nicht von der Stelle. Einen langen Augenblick schaute er sie prüfend an, dann fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. „Als ich in Roberts Alter war, starb mein Vater bei einem Kutschenunfall. Auch mein Vater interessierte sich mehr für Maschinen und tote Gegenstände, denn für den eigenen Sohn. Er glaubte, eine sich selbst antreibende Kutsche entwickeln zu können, die keiner Pferde mehr bedarf. Der schiere Wahnsinn.“
„Bist du deshalb Maschinen gegenüber so voreingenommen?“
„Ich bin nicht gegen den Fortschritt, Diana, nur gegen das alles verschlingende Bedürfnis,
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