Verfuehrung in aller Unschuld
Geduld.
„Ja, Lucy ist hier. Besser, als wenn sie ihre Story an die Medien verkauft, oder? Es war doch deine Idee, dass ich mich um sie kümmere.“
Er hielt den Hörer ein Stück vom Ohr weg, während Pia sich weiter lautstark bei ihm beschwerte. Mühsam beherrscht lief er auf der Terrasse auf und ab und atmete tief die frische Seeluft ein. Pia hatte in der Zeitung gelesen, wie er Lucy vor den Reportern gerettet hatte, und wollte wissen, warum sie noch bei ihm war.
Als ob er seiner Schwägerin Rechenschaft schuldig wäre! Ihretwegen war er doch erst in diese Sache hineingeschliddert.
Obwohl aus der anfangs rein geschäftlichen Angelegenheit inzwischen eine sehr persönliche geworden war.
Nie würde er die grenzenlose Freude und Erleichterung vergessen, die ihn überkommen hatte, als er Lucy unversehrt aus dem dunklen Schacht wieder auftauchen sah. Es hatte eine gefühlte Ewigkeit gedauert, sie hochzuziehen. Noch im Nachhinein spürte er den scharfen Geschmack der Angst auf der Zunge.
Er hatte Lucy in die Arme geschlossen und sie lange Zeit nicht losgelassen, nur um ihre Nähe zu spüren.
Nervös rieb er sich das Kinn. Zwischen Lucy und ihm gab es noch etwas zu klären. Etwas, das er viel zu lange hinausgeschoben hatte und das weder mit Sandro und Pia noch mit den Medien zu tun hatte.
„Beruhige dich, Pia, und hör mir zu.“
Der Klang von Domenicos tiefer Stimme ließ Lucy innehalten, als sie zur Haustür hereinkam. Nicht weil sie ihn belauschen wollte, sondern weil sein sexy Timbre ihr wie immer unter die Haut ging.
„Ich verstehe dich ja, Pia, aber sie ist nicht so, wie die Zeitungen sie darstellen.“
Sie erschrak, als ihr klar wurde, dass er mit seiner Schwägerin sprach. Über sie . Schwankend zwischen Neugier und Angst vor dem, was sie hören könnte, wollte sie weitergehen, doch Domenicos nächste Bemerkung ließ sie aufhorchen.
„Das ist Jahre her, Pia. Menschen ändern sich. Sie hat sich verändert. Hast du ihren Brief nicht erhalten?“
Mit angehaltenem Atem wartete Lucy auf seine nächsten Worte.
„Zerrissen? Das hättest du nicht tun sollen. Sie hat dir geschrieben, wie leid ihr Sandros Tod tut, und das war ganz sicher ehrlich gemeint.“
Ihr Herz pochte vor Freude. Domenico nahm sie vor seiner Schwägerin in Schutz!
„Verstehe ich, Pia. Aber wir sollten nach vorn schauen, schon Taddeo zuliebe“, fuhr er fort und dann, nach einer kurzen Pause: „Wir können die Vergangenheit nicht ändern, sosehr wir uns das wünschen mögen. Lucy würde es ungeschehen machen, wenn sie könnte, glaub mir. Sandros Tod tut ihr von Herzen leid.“
Lucy musste sich am Türgriff festhalten, so sehr zitterten ihr die Knie.
„Wie du willst, Pia. Aber denk darüber nach. Es wäre auch gut für deinen Sohn. Er ist ein feiner Junge, Sandro wäre stolz auf ihn. Du willst doch nicht, dass er verbittert und verängstigt aufwächst, oder?“
Domenicos emotionsgeladene Stimme erinnerte Lucy daran, dass dieses Gespräch nicht für ihre Ohren bestimmt war. Immer noch verwirrt, aber selig lächelnd durchquerte sie die Halle.
Domenico war auf ihrer Seite!
Im milden Licht der Spätnachmittagssonne, die durch das grüne Blätterdach der Bäume fiel, streckte sich Lucy auf ihrer Liege aus.
„Willst du noch?“ Domenico hielt ihr ein Bündel dunkelvioletter Trauben hin.
„Oh, nein.“ Lächelnd rieb sie sich den Bauch. „Ich kann nicht mehr.“
Sie sah, wie sein Blick ihrer Hand folgte, und hatte plötzlich Schmetterlinge im Bauch.
„Ich aber!“ Chiara kam über den Rasen gehüpft. Nur der Verband an ihrem Handgelenk erinnerte noch an den Unfall, der jetzt eine Woche zurücklag.
Lucy fing Domenicos Blick auf und wusste, dass sie beide dasselbe dachten – wie gut, dass die dramatische Rettungsaktion ein glückliches Ende genommen hatte! In stillem Einvernehmen lächelten sie einander zu.
Dieses Lächeln wärmte Lucy wie die ersten Sonnenstrahlen nach einer langen, kalten Nacht und ließ ihr Herz höher schlagen.
„Domi? Krieg ich welche?“
„Na klar, bella .“ Domenico reichte der Kleinen die Trauben und streckte sich dann ebenfalls auf seiner Liege aus, wobei er Lucy fast berührte.
Sie hielt den Atem an.
Er hatte sie seit Chiaras Unfall nicht angefasst. Sie hatte sich schon gefragt, ob sie sich seine innige Umarmung nur eingebildet hatte.
Die Erinnerung an seinen Kuss an jenem Abend, so voller Magie und Zärtlichkeit, entlockte Lucy einen leisen Seufzer.
Es war beängstigend, wie sehr sie
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