Verfuehrung in bester Gesellschaft
gekämmt und seine Kleidung saß tadellos. Lady Fremont war nirgendwo zu sehen.
Violet schluckte und spürte einen Kloß in ihrer Kehle. Vielleicht hatten sie nur ein Rendezvous verabredet und ihrer Leidenschaft noch nicht gleich nachgegeben. Vielleicht würde der Betrug erst noch stattfinden.
Sie blickte teilnahmslos, als er neben sie trat.
„Ich habe dich gesucht“, sagte er schroff. „Komm. Es ist Zeit für uns zu gehen.“ Obwohl Violet mehr als bereit war zu gehen, lag etwas in seiner Stimme, das sie zögern ließ. „Ich benötige meinen Umhang.“
„Die Kutsche wartet vor der Tür. Ich hole deinen Umhang, sobald wir gehen.“
Seine Miene wirkte hart, als er ihren Arm nahm und sie entschlossen zur Tür geleitete. Sie wusste nicht, woher seine schlechte Laune rührte, und es war ihr auch gleich. Sie wollte nach Hause und Rule wollte es offensichtlich auch.
Er legte ihr den Umhang über die Schultern und führte sie zur Kutsche. Nachdem er ihr beim Einsteigen geholfen hatte, nahm er ihr gegenüber Platz.
„Wir hätten uns von unseren Gastgebern verabschieden sollen“, sagte sie in die Dunkelheit hinein, in der nur eine einzige Messinglaterne schien.
In seiner Wange zuckte ein Muskel. „Wir werden ihnen am Morgen eine Nachricht schicken.“
Dann schwiegen beide. Sie dachte an die Brünette und an das, was möglicherweise in der Bibliothek geschehen war. Es überraschte sie festzustellen, dass sie sich mehr verletzt als wütend fühlte. Sollte Rule tatsächlich die Countess oder irgendeine andere Frau besitzen wollen, so gab es nur eines, das sie tun konnte.
Das Wort Scheidung kam ihr in den Sinn.
Sie wollte ihre Ehe nicht beenden. Sie wollte, dass Rule sie liebte. So wie sie ihn liebte.
Diese Erkenntnis traf sie so heftig wie eine Bostoner Windböe. Bis zu dieser Nacht war ihr nicht bewusst gewesen, wie sehr sie ihn liebte.
Ihr Herz tat weh. Du lieber Gott, wie habe ich das nur zulassen können ?
Aber wenn sie ehrlich war, gab sie zu, dass sie von Rule Dewar fasziniert war, seit sie ein sechzehnjähriges Mädchen gewesen war.
19. KAPITEL
E in leichter Regen setzte ein und hüllte die Straßen in Nebel. Als die Kutsche nach Hause rollte, saßen Rule und Violet schweigend da. Die Stimmung war gespannt. Als sie das Stadthaus erreichten, half Rule Violet beim Aussteigen und geleitete sie die Stufen zur vorderen Veranda hinauf.
„Ich fühle mich ein wenig müde“, sagte Violet zu ihm. Sie musste ein wenig Abstand zu ihm bekommen und nachdenken. „Ich werde gleich ins Bett gehen.“
In Rules Wange zuckte ein Muskel. „Na schön. Ich muss noch einige Papiere durchsehen. Warte nicht auf mich.“ Damit machte er kehrt und schritt den Gang hinunter zur Bibliothek.
Offensichtlich würde er an diesem Abend nicht in ihr Bett kommen, was Violet ganz recht war.
Sie wollte ihn direkt nach der Brünetten fragen, wollte wissen, ob Lady Fremont der Grund war für seine schlechte Laune, aber das ließ ihr Stolz nicht zu. Sie wollte ihn nicht spüren lassen, wie viel ihr an ihm lag und wie sehr es sie verletzte, wenn sie ihn in Gedanken mit einer anderen Frau sah.
In der Schlafstube wartete Mary bereits auf sie. „Lassen Sie mich Ihnen helfen, Mylady.“
„Danke, Mary. Ich fühle mich heute Abend sehr erschöpft.“ Eine Windböe rüttelte an den Fensterläden und Violet hörte, wie der Regen an die Scheiben schlug.
„Keine Sorge. Ich werde Sie gleich ins Bett bringen.“ Violet dankte Gott für Mary, die immer so freundlich und hilfreich war. Vor einigen Wochen hatte Rule sie gefragt, ob sie eine Zofe wollte, die darin ausgebildet war, einer Dame mit ihrer Garderobe zu helfen, aber Violet war mit Mary vollkommen zufrieden.
„Ziehen wir Ihnen zuerst dies hier aus.“ Mary half ihr aus dem Kleid und der Käfigkrinoline. Violet wollte gerade den Rest ihrer Kleidung ablegen und stand vor dem Spiegel in Korsett, Strümpfen, Strumpfbändern und Hose, als die Tür aufgerissen wurde und Rule hereinkam.
„Das ist alles für heute, Mary.“
Das Mädchen sah erstaunt aus angesichts seiner harten Miene. „Jawohl, Mylord.“ Sie eilte hinaus und schloss rasch die Tür hinter sich.
Violet ärgerte sich über Rules bestimmende Art und warf ihm einen kühlen Blick zu. Zum ersten Mal bemerkte sie, wie aufgelöst er wirkte. Er hatte Rock, Weste und Krawatte abgelegt. Das Hemd stand am Hals offen und er hatte die Ärmel hochgerollt, sodass die muskulösen Unterarme sichtbar waren. Sein schwarzes Haar war
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