Verfuehrung in Gold
Mann war jung und hellhaarig. Na, und sie hatte ihm das Gesicht zerkratzt.«
Sein Herz pochte schneller vor Zorn. »Wann sind sie hier durchgekommen?«
»Vor dem Abendessen. Es war noch hell.«
Hart trieb sein Pferd an und donnerte durch das Dorf. Vor ihm wirbelte der Nebel, der sich so weit gelichtet hatte, dass Hart die Kollision mit einer Kuh verhindern konnte.
Minuten später rüttelte er den schnarchenden Gastwirt wach. Der Mann stank nach Ale und Schweiß, wurde jedoch munter, kaum dass er eine Goldmünze funkeln sah.
»Ah, ja, die waren hier. Er hat an die Tür gehämmert, wollte dann aber doch nicht bleiben, nachdem sie anfing zu schreien.«
Hart bekam eine Gänsehaut. »Schreien.«
»So wie die geschrien hat, konnte die Tote wecken. Sie hat behauptet, dass er ein Entführer und Mörder ist. Er konnte sie nicht zum Schweigen bringen, also ist er mit ihr aus dem Dorf raus.«
»Und Sie haben ihn gehen lassen?«
»Wenn ein Mann seine Frau züchtigen muss, ist das nicht meine Sache.«
»Sie hat um Hilfe geschrien. Der Kerl ist nicht ihr Mann, Sie Schwachkopf. Er ist ein Entführer und wahrscheinlich auch ein Mörder. Es ist gut möglich, dass Sie die Frau in ihren Tod geschickt haben.«
Der Mistkerl besaß die Stirn, abfällig zu schnauben. »Und wenn er ein Mörder war, was hätte ich da wohl tun sollen? Mein Leben riskieren?«
»Ja«, knurrte Hart, »ja, Sie hätten Ihr wertloses Leben riskieren sollen.« Er stieg schon auf sein Pferd, als der Mann mit wehenden Hemdschößen herausgelaufen kam.
»Sie haben mir eine Münze versprochen!«
Hart hatte nicht übel Lust, dem Feigling ins Gesicht zu spucken, ermahnte sich aber, dass er ein Duke war. Er warf die Münze in den tiefen Schlamm auf der Nordseite des Gartens. »Da ist Ihre Münze. Ich schlage vor, dass Sie damit verreisen, denn sollte ihr etwas zugestoßen sein, komme ich zurück und zeige Ihnen, wie es sich anfühlt, vergebens um Hilfe zu schreien.«
Das Pferd tänzelte nervös und trabte zur Straße, als der Wirt sich brüllend verteidigte.
Sie waren in der Nähe, das fühlte Hart. Sie hatten dieses Dorf kurz vor Sonnenuntergang verlassen, auf der Suche nach einer Bleibe für die Nacht. Der nächste Ort war nur wenige Meilen weit weg. Entweder waren sie dort oder an der Straße zwischen den beiden Dörfern. Sicher standen sie jetzt erst auf, also konnten sie nicht weit sein.
Seine Muskeln schmerzten vor Anspannung, und er war hin und her gerissen zwischen Angst, Hoffnung, Zorn und Kummer.
Wüsste er doch bloß, dass es ihr gut ging. Nun, es musste ihr gut, gehen. Matthew hatte sie nicht verschleppt, um sie umzubringen.
In Harts Kopf überschlugen sich Gedanken daran, was sie außer dem Tod schon erlitten haben könnte, doch er drängte sie fluchend beiseite. »Ihr geht es gut«, flüsterte er. »Sie hat Angst, aber sie ist wohlauf.« Er versuchte, seine Angst zu zähmen, was ihm leider nicht gelingen wollte.
Er hatte sie beinahe eingeholt, ehe er es begriff. Es war nicht einmal ein Lager: lediglich einige Decken und ein längst erloschenes Feuer wenige Schritte vom brüchigen Felsrand entfernt. Er konnte weder sie noch sonst jemanden sehen, stand in seinen Steigbügeln und suchte den Horizont ab, als er im Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.
Etwas Weißes bauschte sich am Klippenrand, und ein dunkles Band hielt es fest. Sein Verstand wollte zunächst nur Formen und Farben erfassen, eher er erkannte, dass es Emma und Matthew waren.
Sie standen am Felsrand. Matthew hielt einen Arm in die Höhe, um Hart zu warnen, er solle nicht näher kommen. Den anderen Arm hatte er um Emmas Hals geschlungen. Emma war beängstigend blass und hatte Blutergüsse auf ihrer linken Wange. Matthews Kinn war an ihre Schläfe gepresst.
Hart holte seine Pistole aus dem Versteck und fragte sich, ob das Rauschen in seinen Ohren vom Meer kam.
»Warum sind Sie hier?«, rief Matthew und zog Emma einen Schritt zurück. Harts Blick fiel auf ihre Füße, nackt und an den Knöcheln gefesselt. Dann sah er, dass die Stiefel ihres Entführers nur Zentimeter vom Klippenrand entfernt waren. Ein Steinbrocken, der sich unter seiner Bewegung gelöst hatte, fiel über den Klippenrand und verschwand in der Tiefe.
Hart glitt aus dem Sattel und ging auf sie zu. »Lassen Sie sie gehen.«
»Halt!« Matthews Stiefel rutschte noch weiter nach hinten.
Hart blieb stehen, und sein Herz stockte vor Schreck. »Lassen Sie sie gehen! Sind Sie von Sinnen? Wenn Sie noch näher an den Rand
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