Verfuehrung in Gold
herbeigeeilt und wischte sich die Hände in ihrer fleckigen Schürze ab.
»Helfen Sie mir, die hier nach hinten zu bringen. In nicht mal einer Woche breche ich zu den Moulters auf. Bis dahin dürfte die Färbelauge kaum getrocknet sein.«
Emma raffte so viele Kleider zusammen, wie sie tragen konnte. Als sie sich umdrehte, um zur Küche zu gehen, hielt Bess ein mitternachtsblaues Kleid in die Höhe.
»Was ist mit diesem?«
»Zu dunkel. Und wenn wir es noch einmal färben, wird es wohl auseinanderfallen. Falls wir es nicht ausbessern können, tausche ich es gegen ein anderes.«
Bess nickte und folgte ihr mit den übrigen Kleidern.
»Ich glaube, bei dem grauen Kleid reicht es, wenn wir das Mieder auswechseln. Es ist ein ziemlich unauffälliger Rock, und die Farbe prägt sich erst recht nicht ein.«
»Ja, Madam.«
»Haben wir noch Indigo? Das gefiel mir recht gut.«
»Ja, Madam.«
Emma verbarg ihr Lächeln in dem Berg von Seide und Satin. Bess war fleißig, bescheiden und alles andere als ein Plappermaul. Ihr war es gleichgültig, dass ihre Herrin eine verarmte Hochstaplerin war, denn sie war einfach nur froh, ihrem brutalen Ehemann entkommen zu sein. Und für eine Betrügerin war sie die ideale Haushälterin.
Emma ließ den Kleiderstapel auf den makellosen Küchentisch fallen, und Bess tat es ihr gleich. Als Nächstes lief die Haushälterin zum Ofen, um Kohlen nachzuschaufeln und einen großen Topf mit Wasser aufzusetzen. Emma begann damit, jedes Kleid einzeln zu inspizieren. »Dies habe ich nur ein Mal getragen«, murmelte sie und schob ein dunkelgrünes Kleid beiseite. »Aber Osbourne hat das veilchenblaue schon zweimal bewundert. Das dürfte die Indigo-Farbe gut annehmen.«
»Ich trenne das graue Kleid auf, Madam, während wir auf das Wasser warten.«
»Danke, Bess. Geben Sie mir einen Moment, mir etwas Praktischeres anzuziehen, dann helfe ich Ihnen. Ich kann zumindest die Säume auslassen.«
Zum Glück war Bess eine begabte Näherin, denn Emma hatte in ihrem ganzen Leben noch keine gerade Naht genäht und konnte es sich nicht leisten, ihre Kleider zu einer richtigen Schneiderin zu geben. Sie besaß gerade die Mittel, Bess ihren Lohn zu zahlen. Überdies brauchte sie Bess’ Hilfe für ihren Plan. Emma war auf egoistische Weise dankbar, dass Bess ausgerechnet in dem Moment beschloss, ihrem Ehemann zu entfliehen, als die Kutsche nach London durch ihren kleinen Weiler kam. Sobald Emma ihre Blutergüsse und die grimmig zusammengekniffenen Lippen gesehen hatte, war ihr die Idee gekommen. Dies ist eine Frau, die ein neues Leben noch nötiger hat als ich , dachte sie. Und deshalb hatte sie Bess jenes Angebot gemacht, das die Frau prompt annahm.
»Solange Sie nicht länger in London bleiben. Ich will nur durchreisen.«
»Ja«, hatte Emma zugestimmt, »nur lange genug.«
Ihnen blieben bloß zwei Monate, bis Emma den Pachtvertrag für ihr Stadthaus verlor. Ein Mietshaus konnte sie nicht bezahlen, und die Saison interessierte sie ohnehin nicht. Zwei Monate mussten ausreichen, ihre Truhe zu füllen, dann würde sie für immer verschwinden.
Sie war mit dem Sortieren fertig, als an die Küchentür geklopft wurde.
»Ich geh schon«, sagte Emma zu Bess, denn die sollte ihre Arbeit nicht unterbrechen. Sie öffnete die Tür und fand sich einem abgerissen gekleideten Jungen gegenüber. »Ja?«
Der Junge musterte sie argwöhnisch. »Wer sind Sie?«
»Wie bitte? Was kann ich für dich tun?«
»Sind Sie die Haushälterin?«
Emma verdrehte die Augen. »Was willst du?«
»Ich weiß was, das ihr vielleicht wissen wollt.«
»Ach ja?« Er sah nicht sonderlich vertrauenswürdig aus. Seine Kleidung war rußverschmiert, und sein Gesicht hatte er sich offenbar seit Tagen nicht gewaschen.
»Ein Mann fragt nach der Herrin. Er will wissen, wer hier wohnt und wie lange schon.«
Emma ließ sich ihren Schrecken nicht anmerken. Dieser Junge könnte genau so ein Hochstapler sein wie sie, nur dass er seine Lügen von Tür zu Tür trug. »Warum sollte mich das kümmern?«
Er zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht.«
Aha, er beherrschte das Spiel offenbar gut, da er nicht zu sehr drängte. Auf einmal blitzten seine Augen verschlagen auf. »Sie glauben mir nicht, na gut. Aber er hat gefragt, ob ihr vor sechs Wochen hierhergekommen seid, und das seid ihr.«
Emma merkte auf. »Stimmt. Und du weißt es, nehme ich an, weil du in der Nähe wohnst?«
»Ja, die Straßenecke da drüben ist meine. Ich weiß bloß nicht, ob ihr aus
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