Verfuehrung in Gold
wagemutig waren wie in der Öffentlichkeit. Lady Denmore ging Risiken ein, liebte die Gefahr, genoss Konfrontationen. Und die Frau konnte einen allzeit beherrschten Duke mit nur einem Seufzer in einen aufgeregten Narren verwandeln. Das war ihre Gabe und Harts Schwäche.
Aber er träumte davon, verwandelt zu werden. Bloß für einige Nächte. Er würde sich gerade genug dekadentes Vergnügen gönnen, dass er weitere zehn Jahre der Pflichterfüllung durchstand. Es würde sich lohnen … falls er vermeiden konnte, in eine Falle zu tappen. Gott, das wäre es wert.
Seine Position als Duke war erdrückend, dennoch hatte er sie ohne große Reue übernommen. Schließlich hatte er keine andere Wahl gehabt, und er war kein Kind, das heulte und mit den Füßen aufstampfte. Was etwaige Bedenken oder gar Aufbegehren anging, hatte ihm sein Vater den Wert der Diskretion und des Anstands vermittelt, bevor er starb. Er erteilte Hart diese Lektion mit seiner üblichen brutalen Effizienz. Jeder Mann ließ sich leichter formen, wenn man ihn vorher zu Brei schlug.
Und nachdem sein Vater gestorben war, hatte Hart Pflichten zu erfüllen gehabt: eine Schwester großziehen, gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommen … von seinen Aufgaben im House of Lords und der konstanten Belagerung durch Mütter heiratsfähiger Töchter ganz zu schweigen.
So war jenes diffuse Elend, das er fortwährend empfand, gut zu ertragen gewesen. Doch nun hatte sich etwas verändert. Er war älter und unglücklicher geworden; vielleicht war es auch simple Einsamkeit. Seine Schwester war kein fröhliches Kind mehr, das auf seine Rückkehr aus London wartete. Sie war nicht einmal mehr eine schwierige Heranwachsende, die ihm verlässlich Schwierigkeiten bereitete. Inzwischen war sie eine verheiratete Frau und lebte weit weg.
Hart war allein, isoliert durch seinen hohen Titel, und keiner schien ihn zu verstehen – keiner, bis auf eine sehr verdächtige junge Witwe aus dem Hinterland von Cheshire.
Er schritt auf den Eingang einer schattigen Gasse zu und blickte in die graue Ödnis. Am anderen Ende stand ein Junge, der Hart ohne einen Hauch von Angst beobachtete und sich nicht rührte, als er in die Gasse einbog. Stattdessen verschränkte er die Arme vor dem Oberkörper und hob sein Kinn ein wenig.
Er war deutlich kleiner als der Dieb, der kürzlich hier gelauert hatte, was allerdings nicht ausschloss, dass er ein kleiner Gauner war.
»Suchen Sie was?«, fragte er misstrauisch, als Hart sich näherte.
»Kann sein.« Er blieb etwa zehn Schritt vor dem Knaben stehen. »Warum?«
»Ich verdinge mich nicht, falls Sie das suchen.«
»Guter Gott, nein!« Solcher Abscheulichkeiten war er noch nie bezichtigt worden. Hart schüttelte den Kopf. »Für wen arbeitest du?«
Der Junge reckte sein Kinn noch energischer vor. »Für keinen.«
Hart sah sich um, ob sich auch niemand von hinten anschlich, um ihm den Schädel einzuschlagen. »Nun, etwas verkaufst du offenbar. Also was?«
»Und Sie wollen was kaufen. Was?«
Unweigerlich musste Hart lachen. Dieser Bursche könnte sein trotziges Verhalten von Lady Denmore gelernt haben. »Ich brauche Informationen«, sagte er schließlich. Die kindlichen Züge des Jungen erhellten sich.
»Na, die sind meine Spezialität, Herr.«
»Aha.« Hart musterte den Knaben mit den leuchtenden Augen und der schlaksigen Gestalt. An seinen Handschuhen und der Kleidung schimmerte schwarzer Ruß. War er Kohlensammler? Oder der Schuhputzer, von dem sie gesprochen hatte?
So oder so konnte er nicht viel Schaden anrichten. »Ich sah unlängst abends einen Dieb nahe Lady Denmores Haus. Weißt du, wer sie ist?«
»Klar.«
»Weißt du, wer der Dieb war?«
Ein rasches Kopfschütteln.
»Na, das würde ich gern herausfinden. Ich möchte wissen, ob er wiederkommt und was er im Schilde führt. Wie viel?«
Die hellen Augen verengten sich. »Ein Pfund.«
»Ein Pfund.« Hart musterte ihn noch einmal, bevor er zwei Münzen aus seiner Tasche holte. »Ich mag ja vornehm und geschniegelt aussehen, Junge, aber ich bin kein Narr. Ein Pfund ist viel zu viel.« Dem Kind stand der Mund offen, als Hart ihm zeigte, was er in der Hand hielt. »Zwei Pfund, aber dafür will ich auch, dass du richtige Arbeit leistet. Ich erwarte absolute Loyalität, hast du verstanden? Kriege ich die für zwei Pfund?«
»Ja, Sir.«
»Du arbeitest weder für diesen Dieb noch für sonst jemanden. Falls du ihn wiedersiehst, schickst du mir Nachricht. Ich will ihm sagen, dass er
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