Verfuehrung in Gold
sie.
Sie sollte abreisen. Das sollte sie wirklich. Am besten floh sie noch vor Sonnenuntergang zurück in ihr kaltes kleines Londoner Stadthaus. Aber die Gentlemen verloren ihr Geld bei dieser Landgesellschaft so schnell, dass Emma schlicht nicht die Willenskraft besaß, dem zu widerstehen. Innerhalb von zwei Tagen hatte sie annähernd dreihundert Pfund gewonnen, und solch einen Gewinn durfte sie sich nicht entgehen lassen. Ihr blieb ohnedies nur noch ein Tag. Solange könnte sie doch sicherlich standhaft bleiben.
Andererseits hatte sie morgens geglaubt, gegen ihn gewappnet zu sein, und dann hatte ihre Arroganz gesiegt. Sie hatte es genossen, ihn in Rage zu bringen, indem sie mit diesen jungen Burschen flirtete und ihn mit ihrer Schamlosigkeit provozierte. Ja, er war unsagbar wütend gewesen, was ihr gefiel. Besonders gefielen ihr seine funkelnden Augen und die groben Befehle.
Auf die sanfteren Verführungen anderer Männer reagierte sie niemals so. Wie konnte Hart das wissen? Welche andere Frau verging vor Lust, wenn man ihr befahl, ihre Röcke zu heben? Emma erschauderte bei dem Gedanken, was sie sonst noch getan hätte, wäre er weitergegangen. Sie hätte ihre sorgfältig geschmiedeten Pläne in den Wind geschleudert, und das wäre erst der Beginn ihres Untergangs gewesen.
Sollte sie jemals bezweifelt haben, dass das verdorbene Blut ihres Vaters in ihren Adern floss, hatte sie nun den Beweis.
Ihr einziger Trost waren die Lügen, die sie erzählte. Ihre Täuschung zwang sie, London zu verlassen, bevor ein Leben in Sünde Normalität werden konnte. Solange sie sich von seinem Bett fernhielt, bis die feine Gesellschaft in die Stadt zurückkehrte, war alles gut. Danach blieb ihr keine andere Wahl, als zu verschwinden. Sie durfte schließlich niemandem aus Cheshire begegnen, der ihre Geschichte infrage stellte. Aber vielleicht könnte sie sich bis dahin … noch ein wenig mehr von ihm berühren lassen.
Irrsinn , schalt sie sich, und das zu recht. Es war irrsinnig, von idiotisch ganz zu schweigen. Und sie würde es nicht tun. Nein, das würde sie nicht.
Dennoch würde sie jener Ausdruck heiterer Lust, mit dem er lächelte, als sie den Spielsalon verließen, Tag und Nacht verfolgen. Denn wenn er so aussah, nachdem er ihr Wonne bereitet hatte, wie müsste er dann erst aussehen, nachdem er selbst welche erlebt hatte?
Das herauszufinden konnte sie sich nicht erlauben.
Kapitel 7
I hr Gegner, Lord Chestershire, sah sie mit seinen kleinen Augen an und grinste triumphierend. Marsh war ebenfalls da und leckte sich mal wieder die Lippen. Emma wünschte, Somerhart würde sich nützlich machen und hinter ihrem Stuhl wachen, aber er war schon vor einer Stunde fortgegangen.
Marsh beugte sich näher und sagte zu Emmas Brüsten: »Es scheint, als hätte Ihr Glück eine traurige Wendung genommen, Lady Denmore. Darf ich Ihnen zum Trost meinen Arm zu einem kleinen Rundgang durch den Salon anbieten?«
Närrischer Hundesohn. Sogar Chestershire bedachte den Mann mit einem ungläubigen Blick. Hatte jemand in der Gesellschaft bislang angezweifelt, dass Somerhart ihr Geliebter war, dürften sich derlei Bedenken beim Dinner zerstreut haben. Sie hatten praktisch an entgegengesetzten Enden der Tafel gesessen, was Somerhart indes nicht hinderte, seine Ansprüche deutlich zu machen. Mehrmals warf er ihr glühende Blicke zu und manch vielsagendes Lächeln. Einige der Gäste starrten Emma mit offenem Staunen an. Winterhart war nicht bekannt dafür, Gefühle zu zeigen.
Aber Lord Marsh fand offenbar nichts dabei, vor aller Augen die Mätresse eines Dukes zu umwerben. Vielleicht war es für ihn nur ein Spiel von vielen. Und in einem Punkt hatte er recht: Emmas Glück war nicht von Dauer. Sie hatte in der letzten Stunde einhundertachtzehn Pfund verloren. Das anzusprechen war jedoch in etwa so heikel, wie einen Dachs mit einem spitzen Stock zu pieksen.
»Nun?«, säuselte er und beugte sich noch näher zu ihrem Dekolleté vor. »Sind Sie bereit für ein bisschen … körperliche Betätigung?«
»Lord Marsh«, sagte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen, während sie für die anderen lächelte, »seien Sie so gut, Ihr Gesicht aus meinem Mieder zu nehmen.«
Er wich zurück und beäugte sie arrogant. »Heute Morgen waren Sie weniger kühl.«
Die Unterhaltung am Tisch verstummte bei seinen lauten Worten. Emmas Kiefergelenk knackte. »Heute Morgen hatte ich eine Gewinnsträhne, Marsh. Da konnte ich es mir leisten, nachsichtig mit den
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