Verfuehrung in Gold
Vater fuhr sich mit einer Hand durch sein schütteres weißes Haar. »Deine Seele ist hier, und mit ihr ist alles in bester Ordnung. Dasselbe gilt für die Kirche. Jene Männer, von denen du sprichst, werden bald schon ausgetrieben wie Ungeziefer, denn das sind sie. Und falls du dich ihnen anschließt, wird man auch dich vertreiben.«
»Du weißt nichts«, konterte Matthew.
»Die Kirche hat ihre Haltung gegenüber den Katholiken und ihren papistischen Ritualen deutlich gemacht.«
»Ich höre mir das nicht an. Sobald ich verheiratet bin, wird Pater Whittier meine Zulassung zum Klerus fördern. Ich werde die Seelen des Volkes heilen. Ich werde helfen, die Kirche wieder zu ihrem wahren Geist zu führen. Aber ich kann es nicht tun, wenn meine eigene Seele von Sünde und Wollust befleckt ist.«
Sein Vater schüttelte den Kopf. Dieses Gespräch hatten sie schon viele Male geführt. Matthew sah den alten Mann mit dem zerzausten Haar und dem rosigen Gesicht an. Er war schwach, stets zu freundlich, zu nachsichtig. Immerfort hatte er seiner willensstarken Frau nachgegeben. Matthew sprach im Geiste ein Dankgebet, dass er das Rückgrat seiner Mutter geerbt hatte.
»Du hast versprochen, dass ich sie heiraten darf. Du hast geschworen, mir zu helfen.«
»Weil ich glaubte, sie wollte es auch. Sie …«
»Sie traf ihre Wahl, als sie mich vom rechten Weg abbrachte. Sie spielte mit meinem Herzen, beschmutzte meine Seele, und jetzt wird sie ernten, was sie gesät hat. Ich heirate sie, Vater. Ich muss es.«
Der alte Mann vergrub sein Gesicht in den Händen. »Du hast keine Ahnung, wo sie ist. Die letzten Monate hast du nichts anderes getan, außer durchs halbe Land zu reisen und sie zu suchen. Ich weigere mich, dich länger zu unterstützen, denn ich kann es mir nicht leisten.«
Matthew kochte vor Wut. Wenn die Zeit kam, würde sein Vater tun, worum er ihn bat. Dessen war er sich sicher. Also senkte er seine Stimme, als er sagte: »Ich verstehe dich, Vater, und ich bete jeden Tag um eine Antwort. Wenn Gott mir einen Hinweis gibt, wirst du mir noch eine letzte Chance gewähren?«
Eine längere Weile schwieg sein Vater. Seine Schultern sanken nach vorn.
»Ich liebe sie«, flüsterte Matthew.
Schließlich nickte sein Vater. »Falls du sie findest, lasse ich dich zu ihr fahren. Doch ich werde nichts tun, sie zur Rückkehr zu nötigen. Hast du verstanden?«
Ja, hatte er, und er war zufrieden. Die Einschränkung kümmerte ihn nicht, denn er bräuchte keine Hilfe, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Matthew lächelte. »Natürlich. Ich danke dir, Vater.« Dann ging er in die Kirche, um noch inbrünstiger zu beten.
Kapitel 11
D ie Sonne auf ihrem Rücken fühlte sich warm an, beinahe so warm wie Lancasters Arm unter ihrer Hand. Emma blickte lächelnd zu dem hellen, funkelnden Licht der Themse und verlangsamte ihre Schritte ein wenig. Ihr Spaziergang näherte sich dem Ende, und sie wollte noch nicht, dass er schon vorbei war. Lancaster war charmant und attraktiv – ein Freund, wie es schien, denn ein Verehrer war er nicht. Und der heutige Tag war wie Frühling.
Bei diesem Gedanken überkam sie ein Anflug von Angst, weshalb sie ihn gleich wieder verwarf. Ihr blieb noch annähernd ein Monat, ehe die Leute zur Saison in die Stadt kamen, und ihre Mittel vergrößerten sich mit jedem Tag. Einige wenige Parlamentsmitglieder waren bereits wieder in der Stadt, deren Familien indes blieben noch bis März auf dem Land. Folglich wollten diese Herren unterhalten werden, und es wurde reichlich gespielt. Natürlich erlebten auch die Freudenhäuser eine gewinnbringende Zeit, vermutete Emma, aber sie interessierte sich nur für das Spiel.
Überdies pausierte der Winter für einen Moment und mit ihm all die dunklen Gedanken. Dieser Tag erinnerte Emma an Nachmittage im Küchengarten ihres Onkels oder an Vormittage, an denen sie die noch warmen Eier im Hühnerstall einsammelte, deren glatte, vollkommene Schale sich perfekt in ihre Hand schmiegte.
Eine Möwe flog dicht an ihr vorbei, und Emma dachte an ihre Mutter, die jedes Mal verzückt war, wenn sie bei Strandspaziergängen eine Robbe oder einen Pelikan entdeckte.
»Woran denken Sie, Lady Denmore?«
Emma lächelte ihren Begleiter an. »Ich dachte daran, wie ich als Kind mit meiner Mutter am Strand spazieren ging.«
»Ah! Ich war noch nie in Brighton.«
»Ich auch nicht. Wir zogen Scarborough vor. Meine Mutter reiste nicht ans Meer, um gesehen zu werden. Sie wollte ihre Ruhe.« Ruhe und
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