Verfuehrung in Gold
denkst, dass es dir erlaubt ist, mich eine Dirne zu nennen? Raus aus meinem Haus!«
Seine Züge verzerrten sich gequält, bevor sie wieder versöhnlicher wurden. »Entschuldige. Das wollte ich nicht. Ich bin bloß zutiefst besorgt.«
»Ich werde nicht ›weghuschen wie eine Ratte‹. Und selbst wenn du unterstellst, ich wäre so feige, haben die Banken morgen nicht geöffnet. Ich habe mein Erbe nicht unter den Dielenbrettern versteckt, Matthew.«
»Natürlich nicht. Ich …« Ihm fielen offensichtlich keine weiteren Argumente ein. Nervosität hatte ihn schon immer dumm gemacht.
»Morgen, Matthew.«
Er öffnete seinen Mund und schloss ihn wieder. Schließlich nickte er. »Gut. Morgen. Aber du kannst schon zu packen anfangen. Wir brechen innerhalb einer Woche auf.«
»Matthew« – sie unternahm einen letzten Versuch, an seine Vernunft zu appellieren –, »versteh doch bitte. Mir gefällt London. Wäre mein Vater nicht gestorben, hätte ich meine Saison gehabt, die Zeit zu …«
»Dein Vater ist gestorben, und sein Tod führte dich zu mir. Es ist dir bestimmt, bei mir zu bleiben. Ich will nichts mehr davon hören. Wie kannst du auch nur anregen, dass ich dich hier einem Leben in Lüge überlasse? Du beleidigst mich.«
Sie nickte. Eigentlich hatte sie schon gewusst, was er sagen würde, ehe er den Mund aufmachte. Ähnliches hatte sie bereits viele Male gehört. »Dann sehe ich dich morgen.«
»Gute Nacht«, sagte er mit einer höflichen Verneigung, als hätte er sich nicht spinnengleich in der Dunkelheit versteckt. »Und falls du eine deiner Listen versuchst, vergiss nicht, dass mein Vater ein Magistrat ist.«
Emma wartete, bis er die Treppe hinuntergegangen war, bevor sie ihm nacheilte und die Tür hinter ihm verriegelte. Sie musste das gesamte Haus überprüfen, um herauszufinden, wie er unbemerkt hatte eindringen können.
Bess , dachte sie mit einem Anflug von Panik und rannte die Treppe hinab ins Untergeschoss, wo Bess in dem kleinen Zimmer neben der Küche wohnte. Sie riss die Tür auf, aber Bess war dort und schlief tief und fest. Ihr ging es gut. Emma schloss die Tür leise wieder und blieb in der dunklen Küche stehen.
Sie konnte kaum etwas sehen. Erst jetzt wurde sie sich bewusst, dass sie einzig aus dem Gedächtnis durch die Flure und in die Küche gerannt sein musste. Sie fühlte sich vollkommen hilflos. Verloren. Ein schwacher Geruch von Brot und Thymian lag in der finsteren Leere.
Hart hatte sie verraten. Er musste es gewesen sein, denn sie hatte es geschafft, Matthew auf ihrer Reise nach London abzuhängen. Ohne den verdammten Brief hätte er sie nie gefunden. Was nun? Fliehen?
Sie sollte fliehen. Das sollte sie wirklich. Sie hatte einen ansehnlichen Betrag beisammen, von dem sie sich ein Leben leisten könnte, das ihrem Traum recht nahe kam. Das Geld könnte ihr Sicherheit geben, wenn auch mit weniger Komfort, als sie sich erhofft hatte.
Doch ihr Triumph, Matthew weggeschickt zu haben, befeuerte ihren Trotz. Ihre Entschlossenheit war wie ein kleiner Funke in ihr, der mit jedem Atemzug heller glühte. Ja, sie mochte allein in der Dunkelheit sein, in ihrer leeren Küche in ihrem schäbigen Haus. Sie war so allein, wie sie es immer gewesen war, aber das würde sie nicht aufhalten.
Emma nickte und trat in den Schatten. Vor wenigen Minuten hatte sie ihren Weg durch die Finsternis gefunden. Und das würde sie wieder tun.
Kapitel 13
E mma hatte festgestellt, dass man innerhalb von fünfzehn Sekunden durch ihr gesamtes Erdgeschoss wandern konnte.
Zweifel regte sich in ihrer Brust, aber sie wollte nicht um Hilfe bitten. Sie würde allerdings alles tun, was nötig war. Ja, es war ein Risiko, doch wenn sie sich mit etwas in dieser Welt auskannte, dann war es die Tatsache, dass sie den Gegenwert zu einem Risiko einschätzen konnte.
Matthew musste verschwinden. Ihm musste jedwede Möglichkeit genommen werden, ihr Schaden zuzufügen. Wäre sie gewillt, sich auf die Niedertracht einzulassen, die zweifelsohne als Erbteil ihres Vaters in Adern floss, könnte sie das Problem lösen. Selbst für eine einsame Fremde dürfte es in London ein Leichtes sein, jemanden zu finden, der für ein paar Pfund einen Mann tötete. Aber so tief war sie noch nicht gesunken. Sie wollte nicht, dass Matthew etwas zustieß. Der Mann war eine Bedrohung für sie, und seine Gedanken folgten Wegen, die sie nicht verstand, doch sie ließ nicht zu, dass er verletzt wurde.
Es gab nur einen Menschen, an den sie sich wenden
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