Verfuehrung in Gold
wissen, wer sie ist, wo sie ist, und sei es bloß, damit ich beruhigt bin. Sie ist eindeutig eine vornehme Dame, auch wenn sie nicht diejenige ist, die sie behauptet hat zu sein. Nun ist sie allein und flieht Gott weiß wohin. Sie könnte in Gefahr sein. Ich muss …« Eine vage Veränderung in Lancasters Miene ließ Hart innehalten. »Was? Ist sie in Gefahr? Wird sie bedroht?«
»Ich bin gewiss, dass es ihr gut geht.«
»Sind Sie sicher?«
Lancaster hob die Schultern, und Hart packte ihn, ehe er sie wieder senken konnte. »Was verschweigen Sie mir, Lancaster? Sagen Sie es mir, oder ich schlage Sie grün und blau, verstanden?«
»Glauben Sie, ich sehe Ihnen nicht an, dass Sie Rache wollen?« Er schlug Harts Hand beiseite. »Sie ist ein junges Mädchen und wollte Sie nicht kränken.«
»Sie …«
»Sie war verzweifelt. Verängstigt. Haben Sie das nicht bemerkt?«
»Ich …« Natürlich hatte er jenes gelegentliche Aufflackern von Angst gesehen, das sie nie erklärt hatte. Und er hatte sie nicht gedrängt, es ihm zu erklären. Warum eigentlich nicht? Weil er so tun wollte, als bedeutete sie ihm nichts.
»Raus damit.« Er erstickte beinahe an dem Wort, zwang sich aber, es auszusprechen: »Bitte.«
»Falls Sie sie finden, und ich denke nicht, dass Sie zu finden ist, will ich Ihr Wort als Ehrenmann, dass Sie ihr nicht wehtun und nicht dafür sorgen, dass sie zu Schaden kommt.«
»Sie haben mein Wort«, sagte Hart prompt, ohne nachzudenken, obwohl er vorhatte, sich an ihr zu rächen. Lancaster sah ihn eine Weile schweigend an. Er zweifelte offenbar an ihm.
»Na gut. Ich glaube Ihnen. Und ich bin besorgt. Da war …«
»Was?«
»Sie kam vor einigen Wochen hierher, tauchte im Morgengrauen vor meiner Tür auf und sagte, sie bräuchte Hilfe.«
Ein Stich der Angst fuhr langsam durch Harts Brust. Als er sein Herz erreichte, begriff Hart, dass es Schmerz war. Er war verletzt, weil sie nicht zu ihm gekommen war. »Was war geschehen?«
»Ein Mann war ihr nach London gefolgt. Jemand aus ihrer Vergangenheit.«
Hart schüttelte den Kopf, aber Lancaster schwieg nicht lange genug, dass Hart ihm sagen konnte, es hätte in ihrer Vergangenheit keine Männer gegeben.
»Er war aus Cheshire. Sie sagte, er wäre in sie verliebt und würde sie belästigen. Nachdem ihr Ehemann gestorben war, wurde er immer zudringlicher, bildete sich Dinge ein und behauptete, sie wäre nie verheiratet gewesen und dazu bestimmt, seine Frau zu sein. Sie fürchtete sich vor ihm.«
Hart merkte bei den angeblich falschen Behauptungen auf. »Was hat er noch gesagt?«
»Das war alles, was sie mir erzählte. Aber sie war eindeutig verängstigt. Anscheinend war der Mann in ihr Haus eingebrochen und hatte sie zur Rede gestellt. Sie wollte, dass er verschwindet. Und sie wollte weg.«
»Ist sie deshalb verschwunden?«
»Teils, nehme ich an. Aber sie wollte sicher sein, dass er ihr nicht folgt. Ich trieb einen Constable auf, der gewillt war, ihn ins Gefängnis zu sperren. Emma bezahlte, damit er es bequem hatte und anständiges Essen bekam, bis sie wegfahren konnte.«
»Ist er noch da?« Dieser Mann könnte wissen …
»Er wurde letzte Woche freigelassen.«
»Sein Name?«
»Matthew Bromley. Ich war dabei, als der Constable ihn in Arrest nahm. Zwar gebe ich zu, dass ich meine Zweifel an ihrer Geschichte hatte, aber der Mann war ohne Frage verstört. Er faselte wirr von Adam und Eva und der Heimtücke der Frauen.«
»Und was sagte er über Emma?«
Lancaster lächelte verbittert. »Nun, er sagte, sie wäre nicht Lady Denmore.«
Harts Mund wurde trocken. »Wer ist sie?«
»Ich würde ihn nicht als verlässliche Quelle bezeichnen, doch er meinte, sie wäre nicht die Witwe von Lord Denmore, sondern seine Tochter.«
Die Wahrheit lief ihm wie ein Schauer über die Haut. »Seine Tochter.«
»Genau genommen die Tochter des neunten Baron Denmore, Großnichte des zehnten.«
»Das …« Guter Gott, konnte das ihre Geschichte sein? War sie die Tochter dieses widerlichen Lüstlings? »Der neunte Baron Denmore starb vor sechs Jahren. Haben Sie ihn gekannt?«
Lancaster verneinte wortlos.
»Er war ein selbstsüchtiger Trunkenbold ohne jeden Anstand, Mitglied in einem der alten Höllenfeuerklubs, falls Ihnen das etwas sagt. Er hat sich und seinen Erben bei einem Kutschenunfall umgebracht. Das war das Letzte, was ich von der Denmore-Linie hörte. Bis vor Kurzem. Es ist allerdings gut möglich, dass er eine Tochter hatte.«
Eine Tochter. Eine junge Adlige, die
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