Verfuehrung in Las Vegas
furchtbar!“ Wie einsam und verängstigt Nicolas gewesen sein musste: ein kleiner Junge, den ausgerechnet der Mensch im Stich gelassen hatte, der auf ihn hätte aufpassen sollen. War es ihm deshalb so wichtig, immer die Kontrolle über alles zu haben – weil er genau das als Kind nicht gehabt hatte?
„JP hat uns unter falschen Namen eingecheckt und sich dann aus dem Staub gemacht. Nach fünf Tagen bekam ich Panik.“
„Und was hast du dann gemacht?“
Nicolas schenkte ihr ein etwas schiefes Lächeln. „Ich habe versucht, Geld aus der Hotelkasse zu klauen. Hal erwischte mich und hat sich zusammengereimt, was passiert war. Ich habe ihn gegen das Schienbein getreten und versucht wegzulaufen“, fügte er seufzend hinzu.
„Du hattest einfach Angst“, stellte Kate sanft fest.
„Vielleicht“, erwiderte Nicolas beiläufig, als wären seine Gefühle nicht von Bedeutung. „Ich dachte, Hal und seine Frau Mary würden mich an die Polizei ausliefern, aber stattdessen nahmen sie mich bei sich auf. Hals Wohnzimmer sieht noch immer aus wie damals“, fügte er hinzu.
„Was ist denn passiert, als dein Vater dann zurückkam?“, wollte Kate wissen.
Nicolas strich sich übers Gesicht. Offenbar lastete diese Erinnerung sehr schwer auf ihm, denn er antwortete nur: „Es war sehr unschön.“
„Du musst Hal sagen, wer du bist“, sagte Kate eindringlich.
„Nein, auf keinen Fall“, wehrte Nicolas heftig ab. „Ich bin nicht mehr dieser jämmerliche kleine Balg – schon seit vielen Jahren nicht mehr.“
Kate hätte ihn gern gefragt, warum er den kleinen Jungen von damals so hasste, spürte jedoch, dass Nicolas ihr keine Antwort geben würde. Also versuchte sie es auf andere Weise.
„Und warum möchtest du dann unbedingt The Grange kaufen?“
„Ehrlich gesagt, das weiß ich selbst nicht. Es war einfach ein sehr starker Impuls.“ Nicolas stand auf und lehnte sich, noch immer sehr angespannt, an das Geländer. „Als Monty die Verhandlungen aufnahm, ließ ich ihn überprüfen, was Hal wusste. Er sollte mich nicht damit in Verbindung bringen.“
„Ich kann gar nicht glauben, dass Hal dich einfach so vergisst.“
„Er und Mary haben nie meinen richtigen Namen erfahren.“ Er hielt inne, als würde er überlegen, ob er ihr noch mehr verraten sollte. „Sie dachten, ich hieße Billy Jensen – das ist der Name, unter dem mein Vater mich eingecheckt hatte. Erst wollte ich ihnen meinen richtigen Namen nicht verraten, weil ich das für sicherer hielt. Aber dann …“ Er seufzte. „Ich weiß nicht. Es war, als wäre ich ein anderer Mensch geworden.“
„Du warst ein kleiner, verängstigter Junge“, bemerkte Kate sanft. „Hal wird dir das ganz sicher nicht vorwerfen, wenn er so ist, wie du ihn mir beschrieben hast.“
„Woher willst du das wissen?“, fragte Nicolas gequält, und ihr wurde bewusst, dass tief innen in dem selbstbewussten gebieterischen Mann noch immer ein Teil des verlassenen Kindes von damals steckte, das glaubte, keine Liebe zu verdienen.
Sie ging zu ihm, und als sie ihm die Hände auf die Brust legte, spürte sie sein Herz heftig schlagen, sodass sich auch ihr eigenes Herz zusammenzog.
„Du musst Hal verraten, warum du The Grange wirklich kaufen willst“, flüsterte sie.
„Was meinst du damit?“, fragte Nicolas verwirrt.
„Du wünschst dir ein Zuhause“, erwiderte Kate schlicht. „Und das hier ist das einzige Zuhause, das du je hattest.“
Nicolas war wie vor den Kopf geschlagen. Es war, als hätte Kate tief in sein Inneres gegriffen und etwas zum Vorschein gebracht, von dem er nichts gewusst hatte – eine Sehnsucht, die er niemandem eingestanden hatte, nicht einmal sich selbst. Er wandte sich von ihr ab und blickte aufs Meer hinaus, während sich ihm der Magen vor Sehnsucht und Schuldgefühlen zusammenzog.
Kate strich ihm über den Rücken. „Hal ist der Grund, warum du zurückgekommen bist.“
Nicolas senkte den Kopf und umfasste das warme Holzgeländer noch fester. Plötzlich fühlte er sich wieder so schutzlos und bedürftig wie als Kind. Dabei hatte er sich doch geschworen, dass dies nie wieder passieren würde.
Er wandte sich so plötzlich um, dass Kate überrascht die Hand sinken ließ.
„Du irrst dich. Ich brauche kein Zuhause, und Hal Westchester brauche ich auch nicht“, erklärte Nicolas. Und dich auch nicht, fügte er in Gedanken hinzu. Das durfte er nicht! Denn wegen Kate empfand er bestimmte Dinge und machte sich bestimmte Gedanken, die er sich nicht machen
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