Verführung pur
ihrem Mofa angekommen, als der Stürmer, der sich als Seemann getarnt hatte, sie einholte. Wer
war
dieser Kerl, der in Fischerstiefeln und ausgebeulten Jeans durch Twin Palms stapfte und dessen Schultern die Ausmaße von Texas hatten?
Obwohl sie von Anfang an bemerkt hatte, wie er sie anstarrte, war sie nicht bereit, darauf einzugehen. Dieser Mann war überhaupt nicht ihr Typ. Mit seinem Dreitagebart, dem kurzen dunklen Haar und der Narbe auf der Wange sah er ihr viel zu gefährlich aus. Und Noelles Erfahrungen hatten sie gelehrt, zahme Männer vorzuziehen, die durch und durch harmlos wirkten.
Außerdem fehlte ihr im Moment die Zeit für Flirts, auch wenn sie normalerweise nicht abgeneigt gewesen wäre. Aber jetzt hatte sie einen wichtigen Termin.
“Was dagegen, wenn ich mitkomme?”, fragte er unverschämt lässig, dabei musste er eigentlich atemlos sein, denn um sie einzuholen, war er garantiert das ganze Stück gerannt.
Noelle sah ihn verwundert an. Sein Dreitagebart war zwar nicht ihr Geschmack, aber sie musste zugeben, dass er eine sagenhaft gute Figur hatte. Es stimmte einfach alles – von den breiten Schultern bis zum knackigen Po.
“Mitkommen?”, fragte sie irritiert. Etwas an der Art, wie er sie ansah, brachte sie vollkommen durcheinander. “Auf dem Mofa?”
Er zuckte mit den Achseln und wies lächelnd mit dem Daumen nach hinten zur Pier. “Wie es aussieht, wollen Ihre Tochter und mein Neffe eine Weile ungestört bleiben, und ich habe wenig Lust, bei dieser Seifenoper den unerwünschten Beobachter zu spielen.”
Seine Stimme erinnerte Noelle an Bruce Springsteen, und das konnte ihr schnell zum Verhängnis werden. Sie hatte exakt jenen rauen Klang, bei dem Noelle jedes Mal schwach wurde.
Ein Blick zu Mia und ihrem Piraten reichte, und sie verstand, was er meinte. Sie wünschte sich wirklich, dass ihre Tochter zur Abwechslung einmal ihre eigene Seifenoper erlebte. Für eine junge Frau wie Mia war es höchste Zeit, endlich etwas anderes als Arbeit und immer nur Arbeit kennenzulernen.
“Offen gesagt, habe ich einen Termin”, antwortete sie, was nicht gelogen war, auch wenn es sich wie eine billige Ausrede anhörte. Trotzdem war sie froh, einen Vorwand zu haben, sich den offensichtlichen Avancen dieses attraktiven Seemanns zu entziehen.
Noelle besaß nicht gerade viele Talente, aber sich vor Männern zu schützen, war eines, auf das sie stolz war. Sie hatte es zeitlebens verstanden, feste Beziehungen und die damit verbundenen Verpflichtungen zu vermeiden.
Leider schien ihr gegenwärtiger Verehrer ihren Wink nicht zu verstehen. Er streckte wie selbstverständlich die Hand nach den Helmen aus, die hinter den Sitzen des Mofas festgezurrt waren.
“Dann lassen Sie mich Sie hinfahren. Das spart Zeit. Wer trägt den Bonnie-Raitt-Helm?”
“Sie jedenfalls nicht”, antwortete Noelle streng. “Damit würden Sie lächerlich aussehen, und außerdem wollte ich sowieso nicht zu meinem Termin fahren.”
So viel zum Thema “Ich werde mich auf mein Mofa schwingen”, dachte sie verärgert. Andererseits war die Vorstellung, den engen Sitz mit Seths aufdringlichem Onkel zu teilen, vollkommen abwegig.
Sie würde zu Fuß gehen, doch wenn sie ihm das sagte, käme er wahrscheinlich erst recht mit. Und was sie vorhatte, ging vorerst niemanden etwas an.
“Hören Sie, warum gehen Sie nicht einfach zurück ins Geschäft? Meine Mutter freut sich bestimmt, wenn Sie ihr ein bisschen Gesellschaft leisten”, schlug sie vor. Sie wollte nicht unhöflich sein, fürchtete jedoch, zu spät zu ihrem Termin zu kommen.
“Ihre Mutter?” Für einen Sekundenbruchteil sah er sie verwirrt an, dann lächelte er. “Ach ja, genau. Ich könnte hineingehen und Ihrer Mutter erzählen, dass Sie einen Termin haben. Ich meine, für den Fall, dass sie sich wundert, wo Sie bleiben.”
Noelle riss den Mund auf, brachte aber kein Wort heraus. Woher wusste dieser Kerl, dass ihre Mutter nichts von ihrem Termin ahnte?
“Ich heiße übrigens Brock Chandler”, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen. “Sind Sie sicher, dass ich Sie nicht begleiten soll?”
Noelle verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust, konnte allerdings nicht leugnen, dass der Mann ihre Neugier weckte. “Wollen Sie mich erpressen?”
“Keineswegs. Ich möchte lediglich vermeiden, mit rosaroten Flamingos beworfen zu werden. Also, was sagen Sie jetzt?”
“Na gut. Aber stellen Sie mir keine Fragen, und kommen Sie mir nicht in die Quere”, sagte sie
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