Verführung pur
Seth wiedersah, und bevor sie ihre Ausstellung eröffnen würde. Sie legte den Strauß auf eine leere Holzkiste. “Hast du ein paar Minuten Zeit? Ich möchte gern mit dir reden.”
Brock hob die Hand und wandte sich zum Gehen. “Das klingt verdächtig nach einem Frauenthema. Da gehe ich mir doch mal den Bongospieler dahinten ansehen. Ich bin in fünf Minuten zurück.” Er gab Noelle einen Kuss auf die Wange. “Viel Glück heute Abend, Mia.”
Noelle seufzte verträumt, als er wegging. “Ich bin wahnsinnig verliebt in ihn”, sagte sie und zupfte an den Trägern ihres orangefarbenen Cocktailkleids. “Er ist fantastisch.”
In diesem Moment regte sich in Mia kein Neid, sondern sie freute sich aufrichtig für ihre Mutter. Noelle hatte das Glück, das sie gefunden hatte, wirklich verdient. Schließlich war ihr Leben bisher alles andere als leicht gewesen.
Nun, da sie sah, wie Noelle ihre neue Liebe genoss, erschien sie ihr in einem vollkommen neuen Licht. Zum ersten Mal wurde ihr richtig klar, wie gering der Altersunterschied zwischen ihrer Mutter und ihr war. Natürlich hatte sie es rein theoretisch immer gewusst, aber sie hatte sich nie vor Augen geführt, wie jung Noelle gewesen war, als sie Mia bekam.
“Ich freue mich für dich. Brock ist ein toller Mann.” Mia reichte ihr die Hand, um ihr beim Einsteigen zu helfen. “Komm rein und leiste mir ein bisschen Gesellschaft.”
Noelle zog eine Grimasse und blickte ihre Tochter fragend an. “Du erwartest doch hoffentlich nicht, dass ich dir helfe, Leinwand auf Holzrahmen zu spannen, oder? Ich will mir schließlich nicht mein Kleid ruinieren.”
Mia atmete tief durch und nahm all ihren Mut zusammen. “Nein, ich möchte mich bei dir entschuldigen. Ich habe mich dir gegenüber schrecklich benommen, und dabei hätte ich längst erkennen müssen, dass du mich damals bei den Großeltern gelassen hast, weil du dachtest, es wäre die beste Lösung für mich.”
Noelle starrte sie einen Moment sprachlos an, bevor sie antwortete: “Na gut, ich denke, dieses Gespräch ist überfällig, auch wenn der Zeitpunkt vielleicht unglücklich gewählt ist. Trotzdem sollten wir gleich zu Beginn festhalten, dass ich diejenige bin, die sich entschuldigen muss.”
Mit diesen Worten schwang sie sich in den Transporter und hockte sich auf eine der Kisten, die an der Seite standen.
“Da muss ich energisch widersprechen. Immerhin habe
ich
neulich am Strand die Beherrschung verloren und dir unberechtigte Vorwürfe gemacht”, entgegnete Mia. “Warum akzeptierst du meine Entschuldigung nicht einfach, Mom? Es kommt schließlich nicht allzu häufig vor, dass ich zugebe, einen Fehler gemacht zu haben.”
“Stimmt, das kommt so gut wie nie vor”, bestätigte Noelle lächelnd. “Du bist eine Quentin, und unser stärkstes Gen ist unsere Dickköpfigkeit. Wir haben unseren Stolz, und das ist zunächst mal eine gute Eigenschaft.” Sie legte ihre Hand auf Mias und drückte sie zärtlich. “Trotzdem ist es höchste Zeit, dass ich dir endlich sage, wie sehr ich die idiotischen Entscheidungen bereue, die ich damals getroffen habe.”
Mia blinzelte, um die Tränen zurückzudrängen, die in ihren Augen brannten. “Mom, du musst wirklich nicht …”
“Ich muss sehr wohl”, unterbrach Noelle sie und umklammerte ihre Handtasche, als bräuchte sie dringend Halt. “Und mir fällt das alles schwer genug, also lass es mich bitte hinter mich bringen.”
Mia nickte und wartete schweigend ab.
“Ich weiß seit Jahren, dass ich dir eine Erklärung schulde, aber ich habe mich dauernd davor gedrückt. Ich redete mir ein, du wärst zu jung, um meine Gründe zu verstehen. Das war natürlich ein billiger Vorwand, denn du warst als Kleinkind schon reifer als ich mit zwanzig.”
Noelle fiel es sichtlich schwer, ihrer Tochter in die Augen zu sehen, während sie das sagte, und Mia ging es keinen Deut besser. Zu gern hätte sie eine Bemerkung gemacht, die den Ernst dieser Unterhaltung ein wenig milderte, doch ihr wollte nichts einfallen. Und selbst wenn, hätte sie gar nicht sprechen können, denn in ihrem Hals saß ein dicker Kloß.
“Dich zu verlassen hat mir das Herz gebrochen, aber erst am Strand ist mir klar geworden, dass du gar nicht wusstest, wie schlimm unsere Trennung auch für mich war.”
Mias Tränen ließen sich nicht länger zurückhalten. Sie hockte sich auf die Kiste neben Noelle und starrte tränenblind auf ein halb gerahmtes Bild. “Sicher war es nicht einfach, mit sechzehn ein
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