Verfuehrung
willig in ihren Bann hatte ziehen lassen.
»Habt Ihr meinen Mann und seine Frau häufig auf Ravenwood besucht?« fragte Sophy so beiläufig es ging.
Utteridge lachte. »Ravenwood hat selten mit seiner Frau Gesellschaften gegeben. Zumindest nicht mehr nach den ersten Monaten ihrer Ehe. Ah, diese ersten Monate waren für den Rest von uns sehr amüsant, das muß ich schon sagen.«
»Amüsant?« Sophy bekam eine leichte Gänsehaut.
»Ja, in der Tat«, sagte Utteridge genüßlich. »In diesem ersten Jahr gab es reichlich Szenen und öffentliche Auseinandersetzungen zwischen den beiden, die dem Ton endlose Unterhaltung lieferten. Aber danach gingen Ravenwood und seine Frau getrennte Wege. Einige behaupten, er wäre kurz davor gewesen, die Scheidung einzureichen, als Elizabeth starb.«
Julian hatte diese peinlichen Szenen in der Öffentlichkeit sicher gehaßt. Kein Wunder, daß er so erpicht darauf war, daß seine neue Frau nicht ins Gerede kam. Sophy versuchte, zu ihrer ursprünglichen Frage zurückzukehren. »Habt Ihr je Ravenwood Abbey besucht, Mylord?«
»Zweimal, soweit ich mich erinnern kann«, sagte Utteridge desinteressiert. »Bin beide Male nicht sehr lang geblieben, obwohl Elizabeth sehr charmant sein konnte. Ich hab’s nicht mit dem Land. Ein Mann von meiner Konstitution hat keinen Sinn fürs Rustikale. Ich fühle mich in der Stadt wesentlich wohler.«
»Ich verstehe.« Sophy lauschte aufmerksam dem Timbre seiner Stimme und versuchte festzustellen, ob er der Mann in Schwarz war, der sie auf dem Maskenball vor dem Ring gewarnt hatte. Ihrer Meinung nach war er es nicht.
Und wenn Utteridge die Wahrheit sagte, konnte er wohl auch nicht Amelias Verführer sein. Wer immer der Mann war, er war öfter als zweimal auf Ravenwood gewesen. Amelia hatte im Lauf von drei Monaten ihren Geliebten mehrmals getroffen. Natürlich bestand immer noch die Möglichkeit, daß Utteridge log, was die Häufigkeit seiner Besuche betraf, aber Sophy sah keinen Grund, warum er sich die Mühe machen sollte.
Es würde wohl äußerst schwierig sein, Amelias Verführer aufzuspüren, das mußte sie zugeben.
»Sagt mir, Madame, habt Ihr vor, in die Fußstapfen Eurer Vorgängerin zu treten? Wenn ja, so hoffe ich, daß Ihr mich in Eure Pläne miteinbezieht. Ich könnte mich sogar zu einer weiteren Reise nach Hampshire überreden lassen, wenn Ihr die Gastgeberin sein wollt«, sagte Utteridge mit gefährlich ruhiger Stimme.
Diese kaum verhohlene Anzüglichkeit holte Sophy aus ihren Tagträumen. Sie blieben mitten auf der Tanzfläche stehen und warf wütend den Kopf zurück. »Was genau wollt Ihr damit andeuten, Mylord?«
»Aber gar nichts, meine Liebe, das kann ich Euch versichern. Ich habe nur aus Neugier gefragt. Ihr schient so interessiert an den Aktivitäten der vorigen Gräfin, daß ich mich gefragt habe, ob Ihr vielleicht Ambitionen habt, ein, äh... ebenso leichtsinniges Leben zu führen wie sie.«
»Ganz sicher nicht«, sagte Sophy grimmig. »Es ist mir ein Rätsel, wie Ihr zu diesem Eindruck kommt.«
»Beruhigt Euch, Madame. Ich wollte Euch nicht beleidigen. Ich hatte ein paar Gerüchte gehört, und ich muß zugeben, sie haben mich neugierig gemacht.«
»Was für Gerüchte?« fragte Sophy, mit einem Mal ängstlich. Wenn die Geschichte von dem Duell zwischen ihr und Charlotte Featherstone durchgesickert war, würde Julian toben.
»Nichts Wichtiges, das kann ich Euch versprechen.« Utteridge lächelte kühl und steckte eine baumelnde künstliche Blume in Sophys Haar zurück. »Nur ein bißchen Gerede über die Ravenwood-Smaragde.«
»Ach die.« Sophy versuchte nicht zu zeigen, wie erleichtert sie war. »Was ist mit ihnen, Mylord?«
»Einige Leute wundern sich, warum Ihr sie noch nie in der Öffentlichkeit getragen habt«, sagte Utteridge gelangweilt, ließ sie aber keine Sekunde aus den Augen.
»Seltsam«, sagte Sophy. »Man stelle sich vor, daß jemand auch nur einen Augenblick Zeit darauf verschwenden kann, sich den Kopf über eine so banale Sache zu zerbrechen. Ich glaube, unser Tanz ist zu Ende, Mylord.«
»Dann werdet Ihr mich bitte entschuldigen, Madame«, sagte Utteridge mit einer lakonischen Verbeugung. »Den nächsten Tanz bin ich leider schon vergeben.«
»Natürlich.« Sophy nickte hochmütig und sah dann zu, wie sich Utteridge durch die Menge zu einer jungen, blonden, blauäugigen Frau durchschlängelte, die ein hellblaues Seidenkleid trug.
»Cordelia Biddle«, sagte Waycott und stellte sich neben Sophy.
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