Verfuehrung
Weise zu amüsieren«, murmelte er, schloß die Augen und legte seinen Kopf in die Polster.
»Wenn du damit wieder auf Verführung anspielen willst, Julian, so muß ich dir sagen, daß ich dieses Thema überhaupt nicht interessant finde.«
»Wegen dem, was deiner Schwester passiert ist? Ich verstehe, daß diese Geschichte bei dir Narben hinterlassen hat. Aber du mußt lernen, daß ein riesiger Unterschied ist zwischen dem, was zwischen Eheleuten geschieht und der Art unangenehmer Verführung, die deine Schwester erdulden mußte.«
»Wirklich, Mylord? Wo lernt denn ein Mann so feine Unter-schiede zu machen? In der Schule? Habt Ihr sie während Eurer ersten Ehe gelernt oder durch Eure Erfahrung im Aushalten von Mätressen?«
Julians Geduldsfaden hatte inzwischen bestenfalls die Konsistenz einer Spinnwebe. Er bewegte sich nicht und hielt die Augen geschlossen. Aus gutem Grund. »Ich habe dir erklärt, daß meine erste Ehe kein Gesprächsthema ist. Ebensowenig das Thema, das du gerade angeschnitten hast. Wenn du klug bist, Sophy, wirst du dir das einprägen.«
Seine Stimme war so gefährlich ruhig, daß ihr etwas mulmig wurde. Sie sagte nichts mehr.
Julian hatte sich allmählich wieder unter Kontrolle. Er öffnete seine Augen und sah seine frischgebackene Braut an. »Früher oder später wirst du dich an mich gewöhnen müssen, Sophy.«
»Ihr habt mir drei Monate versprochen, Mylord.«
»Verdammt noch mal, Weib, ich werde dich in den nächsten drei Monaten ganz sicher nicht mit Gewalt nehmen. Aber erwarte nicht, daß ich in der Zwischenzeit überhaupt keinen Versuch mache, deine Meinung über das Liebesspiel zu ändern. Das ist schlicht zuviel verlangt, und außerdem liegt es völlig außerhalb unseres lächerlichen Abkommens.«
Ihr Kopf schnellte herum. »Ist es das, was du damit gemeint hast, als du sagtest, auf das Ehrgefühl eines Mannes wäre kein Verlaß, wenn er es mit Frauen zu tun hat? Soll ich etwa annehmen, daß ich mich auf dein Wort als Gentleman nicht verlassen kann?«
Diese Beleidigung traf ihn bis ins Mark. »Es gibt keinen einzigen Mann in meinem Bekanntenkreis, der es wagen würde, so etwas zu mir zu sagen, Madame.«
»Wirst du mich jetzt fordern?« fragte sie höchst interessiert. »Du solltest aber wissen, daß mir mein Großvater den Umgang mit Pistolen beigebracht hat. Ich bin eine anerkannt gute Schützin «
Julian fragte sich, ob die Ehre eines Gentleman ihn daran hindern könnte, seine Frau an ihrem Hochzeitstag zu verprügeln. Irgendwie verlief der Anfang dieser Ehe nicht so glatt und reibungslos, wie er sich das vorgestellt hatte.
Er musterte das heitere neugierige Gesicht, das ihm gegenübersaß und versuchte, eine Antwort auf Sophys empörende Bemerkung zu finden. In diesem Augenblick fiel das lose Stück Band von ihrer Tasche auf den Boden der Kutsche.
Sophy beugte sich verärgert vor, um es aufzuheben. Julian bewegte sich gleichzeitig mit ihr, und seine große Hand streifte ihre kleine.
»Gestattet«, sagte er mit frostiger Stimme, nahm das verirrte Stück Band und ließ es in ihre Handfläche fallen.
»Danke«, sagte sie, ein bißchen verschämt. Sie versuchte jetzt hektisch, das Band wieder an den Beutel zu nesteln.
Julian lehnte sich zurück und beobachtete fasziniert, wie sich ein weiteres Stück Band löste. Vor seinen Augen begann sich das ganze komplizierte Bändermuster aufzulösen. In weniger als fünf Minuten saß Sophy mit einem völlig demolierten Täschchen da. Sie hob den Kopf und sah ihn verwirrt an.
»Ich werde nie verstehen, wieso ausgerechnet mir dauernd solche Sachen passieren«, sagte sie.
Julian nahm wortlos die Tasche von ihrem Schoß, öffnete sie und steckte alle Bänderstücke hinein.
Als er ihr den Beutel wieder reichte, überkam ihn mit einem Mal das ungute Gefühl, daß er da womöglich die Büchse der Pandora geöffnet hatte.
Drei
Etwa in der Mitte der zweiten Woche ihrer Flitterwochen bekam Sophy allmählich Befürchtungen, daß sie einen Mann geheiratet hatte, der ernste Probleme mit seinem Verdauungsportwein hatte.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihre Hochzeitsreise, wenn auch etwas vorsichtig, genossen. Eslington Park lag inmitten einer beschaulichen Kulisse von bewaldeten Hügeln und üppigem Weideland. Das Haus war im klassisch inspirierten Stil Palladios gebaut, der während des letzten Jahrhunderts sehr modern gewesen war.
Die Innenräume wirkten etwas ältlich und schwer, aber Sophy war der Meinung, aus diesen
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