Verfuehrung
rang sich ein, wie sie hoffte, normales Lächeln ab, aber Marys Augen zwinkerten sehr vergnügt, als sie einen kleinen Knicks machte und das Zimmer verließ.
Dienstboten wissen scheinbar immer alles, was in einem so großen Haus wie diesem vorgeht, dachte Sophy erbost. Es war gut möglich, daß die Zofe genau wußte, daß Julian noch keine Nacht im Bett seiner Frau verbracht hatte. Der Gedanke war irgendwie beschämend.
Sophy überlegte kurz, ob Julian vielleicht so verärgert war, weil er wußte, daß das gesamte Personal spekulierte, warum er seine frischgebackene Frau nicht in ihrem Schlafzimmer besuchte.
Sophy stählte ihr Herz. Sie würde sich nicht von ihrem Ziel abbringen lassen, nur um Julians männlichen Stolz zu retten. Davon hatte er ohnehin reichlich. Sie griff in ihre Kräutertruhe, nahm eine Prise Kamille und eine Prise von etwas wesentlich Kräftigerem. Geschickt rührte sie es in den ziehenden Tee.
Dann setzte sie sich, um auf ihn zu warten. Sie mußte sich setzen. Ihre Beine zitterten so heftig, daß sie nicht stehen konnte.
Sie brauchte nicht lange auf das Unvermeidliche zu warten. Die Verbindungstür öffnete sich leise, und Sophy zuckte zusammen. Ihr Blick wanderte zur Tür. Julian stand da, in einem schwarzen Seidenmantel mit dem Wappen der Ravenwoods auf der Tasche. Er musterte sie mit einem nachdenklichen Lächeln.
»Du bist einfach zu nervös, Kleines«, sagte er mit sanfter Stimme und schloß die Tür hinter sich. »Das kommt davon, wenn man eine Sache zu lange hinausschiebt. Du hast die ganze Geschichte zu etwas Fürchterlichem aufgebauscht. Bis morgen früh wird alles in die richtigen Proportionen gerückt sein.«
»Ich möchte dich ein allerletztes Mal bitten, Julian, die Sache nicht weiter zu verfolgen. Du brichst den Gedanken des Eids, wenn auch nicht den Eid selbst.«
Sein Lächeln verflog, und sein Blick wurde grimmig. Er steckte die Hände in die Taschen seines Morgenmantels und begann, langsam im Zimmer hin- und herzugehen. »Wir werden nicht noch einmal über meine Ehre diskutieren. Ich versichere dir, sie liegt mir sehr am Herzen, und ich würde nichts tun, was sie besudelt.«
»Du hast also deine eigene Definition für Ehre?«
Er warf ihr einen wütenden Blick zu. »Ich weiß wesentlich besser, wie sie zu definieren ist als du, Sophy.«
»Ich habe nicht die Fähigkeit, sie richtig zu definieren, weil ich nur eine Frau bin?«
Er entspannte sich sichtlich, ein Anflug von Lächeln umspielte seinen harten Mund. »Du bist nicht nur eine Frau, mein Herz. Du bist ein sehr interessantes weibliches Wesen, glaub mir. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, daß ich eine so phantastische Mischung finde, als ich um deine Hand angehalten habe. Weißt du, daß von deinem Mantel ein Stück Spitze weghängt?«
Sophy schaute betreten nach unten und sah entsetzt das Stück
Spitze, das über ihrem Busen baumelte. Sie machte ein oder zwei vergebliche Versuche, es wieder an seinen Platz zu stecken, dann gab sie auf. Sie hob den Kopf und mußte feststellen, daß direkt vor ihrem Auge eine Strähne hing, so daß sie Julian kaum sehen konnte. Sie schob sie irritiert hinters Ohr und richtete sich stolz auf.
»Möchtet Ihr vielleicht eine Tasse Tee, Mylord?«
Sein Lächeln wurde breiter, und Julians Augen wurden noch grüner. »Danke, Sophy. Nach dem vielen Portwein, den ich mir nach dem Essen gegönnt habe, ist eine Tasse Tee sehr willkommen. Ich möchte doch nicht in einem wichtigen Moment einfach einschlafen. Du wärst sehr enttäuscht, da bin ich mir sicher.«
Arrogantes Mannsbild, dachte sie, während sie das Gebräu mit zitternder Hand eingoß. Er sah ihr Angebot von Tee als Geste der Kapitulation, da war sie sich sicher. Er nahm die Tasse wie ein Kommandant, der auf dem Schlachtfeld das Schwert des Verlierers überreicht bekommt.
»Was für ein interessantes Aroma. Deine eigene Mischung, Sophy?« Julian nahm einen Schluck Tee und fing wieder an, im Zimmer herumzulaufen.
»Ja.« Das Wort verfing sich irgendwo in ihrer Kehle. Sie beobachtete, wie er einen weiteren Schluck nahm. »Kamille und... andere Blüten. Es ist sehr beruhigend für überreizte Nerven.«
Julian nickte gedankenverloren. »Ausgezeichnet.« Er blieb vor dem kleinen Rosenholzschreibtisch stehen und sah sich die Bücher an, die dort sorgfältig gestapelt lagen. »Ah, der beklagenswerte Lesestoff meines kleinen Blaustrumpfes. Laß mal sehen, wie bedauerlich dein Geschmack wirklich ist.«
Er zog die ledergebundenen
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