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Vergangene Schatten

Titel: Vergangene Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Robards
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wollte, und als hätte er sich mit dieser Tatsache abgefunden. Dann begann er - ganz vorsichtig zuerst - mit dem Schwanz zu wedeln.
    In diesem Moment beschloss Carly, es zu versuchen.
    »Braver Hund«, flüsterte sie und näherte sich ihm erneut. Der Hund hatte wieder begonnen, den Teller abzulecken, doch als sie ihn erneut streichelte, hob er den Kopf und sah sie an. Es war ein Weibchen, wie Carly erkannte, als sie ihn hochhob. Der Hund zitterte, wehrte sich aber nicht, als Carly mit ihm aufstand.
    »Braver Hund«, sagte Carly noch einmal und hielt ihn vorsichtig fest. Er fühlte sich warm und unglaublich leicht in ihren Armen an. Sie spürte, wie er am ganzen Leib zitterte, und sah die Unsicherheit in seinen großen Augen. Das Tier war es offenbar nicht gewohnt, freundlich behandelt zu werden. Am Bauch spürte Carly etwas, das sich wie eine verkrustete Wunde anfühlte, und das Fell war zweifellos voller Flöhe.
    Aus irgendeinem ihr unerfindlichen Grund erinnerte der Hund sie an ihr eigenes Leben. Nicht an ihr gegenwärtiges Leben, nein, sondern an das kleine Mädchen, das sie einmal war, bevor ihre Großmutter in ihr Leben trat. Auch sie war ein vernachlässigtes Kind gewesen, das keiner wollte und dem es schwer fiel, irgendeinem Menschen zu vertrauen. Auch sie hatte sich damals klein und hilflos und allein gefühlt.
    »Keine Angst«, sagte sie und sah ihm in die verängstigten Augen. »Es wird schon alles gut.«
    Der Hund stieß ein leises Winseln hervor, so als hätte er sie verstanden. Carly war so gerührt wie schon lange nicht mehr und drückte den Hund an sich. Er hob den Kopf und leckte ihr übers Kinn.
    Carly war sich bewusst, dass sie soeben einen Bund fürs Leben mit dem Tier geschlossen hatte. Sandra würde sie umbringen. Hugo würde einen Schlaganfall bekommen. Aber die beiden würden sich ganz einfach damit abfinden müssen. Sie würde den Hund behalten.
    Es hatte einmal einen Moment gegeben, wo auch sie von einem harten Schicksal errettet worden war. Nun würde sie den kleinen Hund hier retten.
    »Du brauchst noch einen Namen«, sagte sie und wusste im nächsten Augenblick, wie sie ihn nennen würde. »Wie gefällt dir Annie?«
    Annie schien zu merken, dass ihr einmal in diesem Leben etwas Gutes widerfahren war, und wedelte dankbar mit dem Schwanz, so als wollte sie sagen, sie wäre mit jedem Namen einverstanden, den Carly ihr gab.
    »Braves Mädchen«, sagte Carly. »Brave Annie.«
    Und sie trug den Hund ins Haus hinein.

16
    Es war der vierte Juli, eine wunderschöne sternklare Nacht, und Carly und Sandra saßen auf einer Decke inmitten der lachenden, feiernden Menschenmenge, die sich auf dem Stadtplatz versammelt hatte und darauf wartete, dass das Feuerwerk begann. Sandra verspeiste gerade ein Schinkensandwich, während Carly eine süßsaure Limonade aus Zitrone, Zucker, Eis und Wasser trank - ein Getränk, das sie einst zusammen mit Sandra für das Treehouse-Restaurant kreiert hatte. Sandra war wie üblich schwarz gekleidet und trug zudem lang herabbaumelnde Ohrringe, an denen die aus kleinen blinkenden Lichtern gebildeten Buchstaben U-S-A hingen. Carly trug zur Feier des Tages marinefarbene Shorts, ein rotes T-Shirt mit weißen Sternen und eine Baseballmütze mit einer amerikanischen Flagge vorne darauf. Die Baseballmütze hatte sie aus drei Gründen aufgesetzt: erstens, um ihren Patriotismus zu demonstrieren, zweitens, weil sie einfach flott damit aussah, und drittens, weil die Mütze ihre Locken weitgehend verbarg, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren.
    »Äh, weißt du«, sagte Sandra mit leiser Stimme, damit sie niemand außer Carly hören konnte, »ich glaube, der Sheriff weiß vielleicht schon, wer seinen Briefkasten umgefahren hat.« Sie sah Carly kurz an und blickte dann zur Seite.
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Carly. Sandras unschuldige Miene verriet eigentlich alles. »Du hast es Antonio gesagt, nicht wahr?«
    In den drei Tagen, seit er ihnen beim Einzug ins Haus geholfen hatte, war Antonio fast ständig zugegen gewesen. Wenn er nicht gerade arbeitete oder schlief, traf man ihn grundsätzlich in der Küche an. Nicht, dass Carly etwas dagegen gehabt hätte. Sie konnte den Sheriff-Stellvertreter gut leiden, außerdem war er wirklich eine große Hilfe. Er hatte zum Beispiel seinen Rasenmäher mitgebracht und das hohe Gras rund ums Haus gemäht. Außerdem wurde Sandra durch seine Anwesenheit von der Tatsache abgelenkt, dass nun auch Annie zum Haushalt gehörte. Doch

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