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Vergangene Zukunft

Vergangene Zukunft

Titel: Vergangene Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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selben Augenblick durch eine andere Tür vom Balkon in den Ballsaal trat.
    »Mitternacht!« rief eine fröhliche Stimme »Prost! Prost auf all die Schönheiten des Lebens!«
    Sie drängten sich um das Punschgefäß. Kleine Gläser wurden herumgereicht.
    »Auf das Leben!« riefen sie, und mit dem ganzen Enthusiasmus junger College-Studenten tranken sie die feurige Mischung aus reinem Fruchtsaft, Zucker und Zitronenschale – und natürlich schluckten sie auch die Beruhigungsmittel und die amatogenen Prinzipien des Professors.
    Als der Dunst in ihre Köpfe stieg, sanken sie langsam zu Boden.
    Alice stand allein. Noch immer hielt sie ihr Glas in der Hand. Ihre Augen schimmerten feucht von unvergossenen Tränen.
    »Oh, Alexander, Alexander! Wenn du auch an mir zweifelst, so bist du doch meine einzige Liebe. Du willst, daß ich trinke, und so werde ich trinken.« Dann sank auch sie anmutig zu Boden.
     
    Nicholas Nitely suchte nach Alexander, um den er sich sorgte. Er hatte ihn ohne Alice ankommen sehen, und er konnte nur annehmen, daß zwischen den Liebenden ein Streit stattgefunden hatte. Er konnte es durchaus verantworten, die jungen Leute sich selbst zu überlassen. Immerhin waren sie keine wilden Jugendlichen, sondern College-Studenten und -Studentinnen, die hervorragenden Familien entstammten und eine gute Erziehung genossen hatten. Er konnte sich voll darauf verlassen, daß sie den vier Finger breiten Abstand einhalten würden.
    Er fand Alexander auf dem Balkon. Schwermütig starrte der junge Mann zum sternenübersäten Himmel empor.
    »Alexander, mein Junge!« Nicholas Nitely legte seinem jungen Freund die Hand auf die Schulter. »Ich erkenne dich nicht wieder. Sich so tiefen Depressionen hinzugeben! Aber, aber, mein Lieber!«
    Alexanders Kopf senkte sich, als er die Stimme seines guten alten Freundes erkannte.
    »Es ist unmännlich, ich weiß, aber ich sehne mich nach Alice. Ich war grausam zu ihr, und jetzt empfange ich meine gerechte Strafe. Und doch, Mr. Nitely, wenn Sie nur wüßten …« Er preßte die geballte Rechte auf die Brust, in die Nähe seines Herzens. Die Stimme versagte ihm.
    »Glaubst du, weil ich unverheiratet bin, so sind mir solche Gefühle fremd?« Nitely blickte den jungen Mann besorgt an. »Täusche dich nicht! Es gab Zeiten, wo auch ich wußte, was es heißt, mit gebrochenem Herzen zu lieben. Begehe nicht denselben Fehler wie einst ich! Möge dein Stolz nicht eure Wiedervereinigung verhindern. Suche sie, mein Junge, suche sie und entschuldige dich! Du darfst nicht ein einsamer, alter Junggeselle werden – wie ich.«
    Alexanders Rücken straffte sich.
    »Ich will tun, was Sie sagen, Mr. Nitely. Ich werde sie suchen.«
    »Dann geh hinein. Ich glaube, kurz bevor ich herauskam, habe ich sie drinnen gesehen.«
    Alexanders Herz sank.
    »Vielleicht sucht sie gerade jetzt nach mir. Ich will gehen – doch nein! Gehen Sie zuerst, Mr. Nitely. Ich möchte noch etwas hier bleiben, um mich zu fassen. Ich will nicht, daß sie mich unmännliche Tränen vergießen sieht.«
    »Natürlich, mein Junge.«
     
    Nitely blieb erstaunt in der Tür zum Ballsaal stehen. Hatte eine allgemeine Katastrophe die jungen Leute zu Boden geworfen? Fünfzig Paare lagen auf dem Parkett, und manche lagen in höchst unanständiger Weise aufeinander.
    Aber bevor er sich aufraffen konnte, um Alarm zu schlagen, die Polizei zu rufen, nachzusehen, ob es Tote gab, oder irgend etwas anderes zu tun, erhoben sie sich, kamen mühsam auf die Füße.
    Nur eine Gestalt blieb liegen. Ein einsames Mädchen in Weiß. Ein Arm lag in graziöser Pose unter dem hübschen Kopf. Es war Alice Sanger, und Nitely eilte zu ihr. Er achtete nicht auf das Geschrei, das sich rings um ihn erhob, und sank auf die Knie.
    »Miß Sanger! Meine liebe Miß Sanger! Sind Sie verletzt?«
    Langsam öffnete sie ihre schönen Augen und sagte: »Mr. Nitely! Ich habe noch nie bemerkt, daß Sie so bezaubernd aussehen.«
    »Ich?« Erschrocken wich Nitely zurück, aber sie hatte sich bereits erhoben. Ein Leuchten war in ihrem Blick, ein Glanz, wie ihn Nitely seit dreißig Jahren in keinem Mädchenauge mehr gesehen hatte – und in solcher Intensität überhaupt noch nie.
    »Mr. Nitely, Sie werden mich doch nicht verlassen«, sagte sie.
    »Nein, nein«, erwiderte Nitely verwirrt. »Wenn Sie mich brauchen, werde ich natürlich bleiben.«
    »Ich brauche Sie. Ich brauche Sie von ganzem Herzen, mit ganzer Seele. Ich brauche Sie, wie eine dürstende Blume den Morgentau braucht.

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