Vergeben, nicht vergessen
ungewöhnlich gewesen wäre.
Molly hatte gerade etwas zu Emma gesagt. Mitten im Satz hielt sie inne. Sie blickte zu ihrem Vater hinüber und sagte leise: »Auge um Auge, Papa?«
Mason Lord kaute auf einem Bissen Melone, dann legte er elegant die Gabel ab und sah zu seiner Tochter auf. »Ich wäre dir dankbar, wenn du diese Art von Gespräch unterbinden könntest, Molly. Ganz besonders in Gegenwart deiner Tochter.«
Emma, die die Veränderung in der Stimme des für sie wichtigsten Menschen sofort wahrgenommen hatte, zupfte am Ärmel ihrer Mutter. »Mama? Was ist denn passiert?«
Ramsey beobachtete, wie Molly sich Emmas wegen mühselig zusammennahm. Sie verbannte den Schrecken aus ihrem Blick und glättete ihren Gesichtsausdruck so sehr, dass lediglich ein weiches Lächeln für ihre Tochter übrig blieb. Sie drehte sich zu Emma um, zog sie eine Minute lang fest zu sich heran und sagte: »Irgendwie schmeckt Miles’ Quiche heute merkwürdig, findest du nicht?«
Emma warf ihr einen ihrer müden, erwachsenen Blicke zu. »In der Quiche ist Schinken, Mama, und frischer Spinat. Ich habe Miles beim Backen zugesehen. Er hat mich sogar die Eier hineinschlagen lassen. Die Quiche ist vollkommen in Ordnung.«
Molly schien wie vor den Kopf gestoßen. Es fiel ihr schwer, sich zusammenzureißen. »Tut mir Leid, Emma. Du hast natürlich Recht. Ich weiß auch nicht, Liebling, vielleicht geht es mir einfach nicht gut.«
Molly sah zu Eve Lord hinüber, die kreidebleich und mit starrem Gesichtsausdruck am Tischende saß. Sie starrte ihren Mann an. Dann wandte sie sich abrupt Emma zu. Ihr Gesicht war wieder so glatt wie das einer Madonna. »Das Rezept für die Quiche hat Miles von mir. Meine Mutter war eine ausgezeichnete Köchin. Es tut mir Leid, dass sie deiner Mutter nicht zusagt.«
»Wir sollten jetzt etwas Kaffee trinken«, meinte Mason. »Miles?«
»Ich möchte mit Ihnen reden, Mason. Könnten wir unseren Kaffee im Wohnzimmer einnehmen?«, sagte Ramsey mit beherrschter Stimme.
»Es ist ein wunderschöner Tag«, warf Eve Lord ein und sah ihren Mann dabei an. »Mason hat vorgeschlagen, dass wir mit der Yacht hinausfahren, Ramsey. Vielleicht könnten Sie Ihr Gespräch mit ihm auf später verschieben?«
Das Telefon klingelte. Miles erschien im Türrahmen des Esszimmers. »Richter Hunt, es ist Agent Savich. Er möchte mit Ihnen sprechen.«
Ramsey warf seine Serviette auf den Teller und eilte in die Küche, wo Miles ihm geduldig den Telefonhörer entgegenhielt.
»Sherlock und ich sind auf dem Flughafen. Wir haben eben gerade von den Morden in Las Vegas gehört. Ich kann es einfach nicht glauben, Ramsey. Der Mann hat Traute, das muss ich ihm lassen. Möchtest du, dass wir wieder zurückkommen?«
Ramsey hätte sie nur zu gerne wieder um sich gehabt, aber sie hätten nichts ausrichten können. Niemand konnte wirklich etwas ausrichten. Wollte er wirklich so egoistisch sein? »Nein, Savich. Dampf du ab mit Sherlock und mach sie glücklich. Sag mir nur Bescheid, wo ihr in Paris unterkommt, falls ich euch doch noch zurückpfeifen möchte.«
»Es ist eine kleine Pension an der Rive Gauche«, sagte Savich. »Sherlock will sie mir zeigen. Wir geben dir dann die Nummer durch. Hat Mason irgendetwas gesagt? Hast du ihn gesehen?«
»O ja. Wir haben die Nachricht eben erst am Esstisch vernommen. Es scheint ihn noch nicht einmal zu stören, wenn ein Bundesrichter und ein paar FBI-Agenten unter seinem Dach wohnen, während er diesen Auftrag erteilt.«
»Hör zu, Ramsey. Hau dort ab. Nimm Molly und Emma mit und mach dich aus dem Staub. Das Ding willst du sicher nicht auch noch am Hacken haben. Misch dich da nicht ein. In einem solchen Fall kannst du überhaupt nichts ausrichten.«
»Ich kann nicht glauben, das aus deinem Mund zu hören.«
»Ich sage es als Freund von Molly und Emma. Sie sollen nicht im Kreuzfeuer einer Sache stehen, die sich leicht zu einer persönlichen Fehde ausweiten könnte. Hier geht es Auge um Auge, Zahn um Zahn. Bleib nicht so lange, dass du noch sehen kannst, ob eine weitere Runde stattfinden wird. Hau ab.«
Langsam erwiderte Ramsey: »Du hast natürlich Recht.« Er strich sich mit der Hand über die Stirn. »Ich hätte Lust, Mason in die Mangel zu nehmen und Gunther Handschellen anzulegen. Aber du hast Recht, Mollys und Emmas Sicherheit stehen an erster Stelle. Ich rufe dich in ein paar Tagen an und informiere dich über den Stand der Dinge.«
Sie sprachen noch kurz miteinander, dann legte Ramsey den Hörer
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