Vergeben, nicht vergessen
mir noch einen Gefallen. Wie Savich immer sagt, kann es nicht schaden, einen Arzt in seiner Schuld zu wissen.«
»Ist das dein Freund vom Bundeskriminalamt?«
»Genau. Ginny, lass uns in Verbindung bleiben. Wenn irgendetwas passiert, kannst du mir nach Irland faxen. Die ersten paar Tage werden wir im Dromoland Castle gleich nördlich vom Flughafen Shannon verbringen. Ich kann mich nicht genau erinnern, in welcher Provinz das liegt, werde dir aber Bescheid geben.«
»Gut. Und pass auf dich auf, Ramsey. Auf Wiedersehen, Emma. Pass gut auf deine Mama und auf Ramsey auf, versprochen?«
»Ja, mache ich.« Emma schlüpfte ins Zimmer und stellte sich neben Ramsey, als Ginny ging. Sobald sie das Arbeitszimmer verlassen hatte, nahm Ramsey den Telefonhörer zur Hand.
Als er wieder aufgelegt hatte, nahm er Emma und ihr Klavier in die Arme. »Komm, wir gehen zu deiner Mutter und erzählen ihr, dass sie noch einmal Glück gehabt hat. Sie muss nicht ins Krankenhaus. Nein, ein richtiger Arzt wird ihr einen Hausbesuch abstatten.«
Dr. James Haversham war zweiundvierzig Jahre alt, zweimal geschieden und benutzte jede Minute seiner Freizeit zum Segeln. Er richtete sich auf und strich sich über das Kinn, eine seiner langjährigen Angewohnheiten. Schließlich sagte er, den Blick auf Molly gerichtet und sich immer noch über das Kinn streichelnd: »Ich müsste ein paar Untersuchungen machen.«
»Vergessen Sie es. Wenn ich jemals ein Krankenhaus betreten sollte, werde ich bereits tot sein und nichts mehr davon merken. Keine Untersuchungen.«
Er seufzte. »Also gut. Meines Erachtens nach haben Sie etwas Schlechtes gegessen. Ramsey sagte, Sie hätten im Flugzeug Nudeln mit Muschelsoße verzehrt. Wie er mir sagte, haben Sie das meiste davon bereits wieder von sich gegeben. Sie haben aber noch Darmkrämpfe, weshalb Sie sich auch nochmals übergeben mussten. Ich werde Ihnen eine Spritze und ein paar Tabletten geben. Das wird Ihren Magen beruhigen, Sie schläfrig machen und die Übelkeit unterdrücken. Es wird etwas dauern, ehe sich Ihr Darm wieder beruhigt hat. Ihnen fehlt Flüssigkeit. Sie sollten heute Abend und morgen sehr viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Die Spritze ist für den Hintern. Bitte drehen Sie sich um.«
»Ramsey, bitte geh mit Emma nach draußen.«
Emma blieb wie angewurzelt stehen. »Nein, Mama, du brauchst mich jetzt. Ich halte dir die Hand.«
»Mich brauchst du auch. Ich halte deine andere Hand. Es ist deine Zeit der Bedürftigkeit, Molly.«
Emma blickte zu ihm auf. »War das als Witz gemeint, Ramsey?«
»Also gut«, unterbrach Dr. Haversham. »Sie drehen sich beide um, damit es meiner Patientin nicht peinlich ist.«
Sie wandten sich dem Fernseher zu, auf dem eine Wiederholung von M*A*S*H ohne Ton lief.
Dann hörten sie ein scharfes Einatmen, danach die Stimme von Dr. Haversham. »Und jetzt noch zwei von diesen Tabletten, Frau Santera. Sie werden bis morgen im Bett bleiben und sich ausschlafen. Trinken Sie genügend Wasser, um alle viertel Stunde auf die Toilette zu müssen. Sollten Sie sich jedoch nochmals übergeben müssen, kommen Sie in die Notaufnahme. Ich meine es ernst. Denn wenn Sie sich jetzt nicht bald besser fühlen, handelt es sich nicht um eine Lebensmittelvergiftung.« Als er sich zu ihr herunterbeugte, schüttelte sie den Kopf. Er flüsterte: »Sie haben eine wunderschöne kleine Tochter, die Sie braucht. Suchen Sie sich etwas anderes aus, um Ihre Sturheit abzureagieren.«
Sie seufzte. »Sie haben natürlich Recht. Danke, dass Sie vorbeigekommen sind.«
»Keine Ursache.« Er wollte schon gehen, als Molly rief: »Was hat Ramsey für Sie getan? Er meinte, Sie schuldeten ihm einen Gefallen, deshalb auch der Hausbesuch.«
»Er hat mir das Leben gerettet.«
»Wie das?«
»Als meine erste Ex-Frau betrunken war und meine zweite Ex-Frau, die damals noch keine Ex-Frau war, verprügeln wollte, ist Ramsey dazwischengegangen. Er hat Melanie abgelenkt und sie den ganzen Abend über auf der Tanzfläche gehalten.«
Molly lachte. »Das ist natürlich wirklich eine große Schuld, die Sie abzutragen haben.«
Dr. Haversham wollte ihr nicht erzählen, dass er sich das aus den Fingern gesogen hatte. Sie war eine wunderbare Frau mit einem schönen Lächeln. Und er hatte dieses Lächeln auf ihr Gesicht gezaubert. Es war vermutlich ebenso wirksam wie die Spritze und die Tabletten. »Das kann man wohl sagen, Frau Santera.«
Sie war schon fast eingeschlafen. Er lächelte und nahm Ramseys Hand.
»Ich habe
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