Vergeben, nicht vergessen
Augen anderer zu sehen. Sein Arbeitszimmer strahlte jetzt durch das Leder und die üppigen Terracottafarben mehr Dominanz und Männlichkeit aus. Für das Ledersofa, die Sessel und den riesigen Mahagonischreibtisch hatten sie ein Vermögen ausgegeben. Auch dieser Ausgabe hatte er zugestimmt. Die Wände waren noch kahl. Die Kunst, die ihm Zusagen würde, hätten Fremde nicht für ihn aussuchen können.
Wenn man berücksichtigte, dass erst ein Monat verstrichen war, hatten sie ein Wunder vollbracht.
»Ramsey?«
»Ja, Emma?«
»Dein Haus gefällt mir. Das Wasser gibt mir ein gutes Gefühl.«
Er grinste, beugte sich herunter und hob sie hoch. Dann trug er sie zu dem riesigen Ledersessel und setzte sich. Er legte die Füße auf einen sündhaft breiten Lederschemel, etwas, das er bisher noch niemals besessen hatte. »Lass uns gemeinsam die Aussicht genießen, okay? Wir können unsere Seelen mit der Natur kommunizieren lassen. Sag mal, wo ist denn dein Klavier?«
»Oben. Aber mein Klavier ist jetzt nicht so wichtig.« Sie seufzte auf jene erwachsene Art und Weise. »Ich mache mir um Mama Sorgen. Sie fühlt sich nicht wohl, behauptet aber, es gehe ihr gut.«
»Was ist los?«
»Ihr ist schlecht. Sie hat mich nach unten geschickt, um dich abzulenken, damit du nicht nach oben kommst. Du sollst nichts davon wissen, aber ich mache mir Sorgen. Kannst du die Sache wieder in Ordnung bringen, Ramsey?«
»Verdammt noch mal. Entschuldigung, Emma. Bleibst du hier unten und kommunizierst mit der Natur?«
»Ja, aber nur kurz. Mamas Gesicht ist schon etwas grün.«
»Ich kümmere mich um sie. Du bleibst hier, abgemacht, Emma?«
»Ich gehe nicht alleine nach draußen, Ramsey.«
»Sehr gut.« Er küsste sie auf die Stirn und ging nach oben. Schon von der Treppe aus konnte er Molly sich übergeben hören. Es gab drei Schlafzimmer, sein großes Zimmer, ein kleines Schlafzimmer und ein Gästezimmer, in dem Molly und Emma wohnten. Sie war in dem Badezimmer, das sich an das Gästezimmer anschloss. Die Tür war zugezogen, stand jedoch einen Spaltbreit offen. Er drückte sie langsam auf.
Molly kniete mit dem Kopf über der Kloschüssel und übergab sich.
Er sagte nichts, sondern rieb ihr nur über die Schultern, dann kniete er sich neben sie und strich ihr Haar zurück. Sie ließ sich gegen ihn fallen. »Ist es jetzt besser?«
Sie stöhnte. »Ich möchte nicht reden. Ich möchte einfach nur sterben.«
Er betätigte die Spülung. »Bleib hier, ich bringe dir etwas Wasser, um dir den Mund auszuspülen.«
Wieder stöhnte sie auf. »Wärst du doch nicht hier hochgekommen. Ich hätte ahnen müssen, dass Emma dich holt. Es ist mir peinlich.«
Er reichte ihr das Wasser. Sie warf einen Blick darauf und erhob sich langsam. »Ich möchte mir die Zähne putzen.«
»Ich habe etwas gegen Magensäure. Möchtest du es nehmen? Emma hat sich ernsthaft Sorgen gemacht. Ich bin froh, dass sie vernünftig genug war, mich zu rufen. Vernünftiger als ihre Mutter.«
»Geh weg«, sagte sie, schubste ihn aus der Tür und schloss ab. Er hörte, wie sie sich den Mund mit Mundwasser ausspülte. Fünf Minuten später begleitete er sie zu ihrem Bett. Das Gästezimmer besaß keine sonderlich schöne Aussicht, doch durch die dreigeteilten Fenster konnte man ein wenig von der Golden Gate Bridge erkennen.
»Während ich hier im Sterben liege, werde ich als Letztes immerhin etwas Schönes sehen.«
»Nein, das Letzte, das du sehen wirst, ist mein hässliches Gesicht. Und das sollte ausreichen, um ganz schnell wieder gesund zu werden.«
»Ich muss wohl im Flugzeug etwas Schlechtes gegessen haben. «
Sie hatte Nudeln mit Muschelsoße gewählt, während Emma und er das Hühnchen gegessen hatten. »Möglich. Oder aber es ist der Stress.« Zärtlich legte er beide Hände um ihr Gesicht. Sie war vollkommen verschwitzt. Er zog die
Stirn kraus. »Ich werde einen Arzt rufen, und dann sehen wir, was er dazu meint.«
»Ich will keinen Arzt sehen, Ramsey. Vergiss es. Mein Magen ist jetzt leer. Bald wird es mir besser gehen.«
»Wir werden sehen«, sagte er in genau dem Erwachsenentonfall, den sie selbst Kindern gegenüber benutzte, wenn sie jede weitere Diskussion unterbinden wollte.
Er brachte ihr ein paar Tabletten und ein Glas Wasser. »Hier, nimm diese.«
Sie fragte noch nicht einmal nach, um welche Art von Tabletten es sich handelte. Nachdem sie sie geschluckt hatte, lehnte sie sich gegen die Kissen zurück.
»Wie geht es deinem Arm?«
»Gut. Wie ist es mit
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