Vergeben, nicht vergessen
Unrecht hatte. »Wo ist Emma?«
»Ich bin hier, Ramsey. Mama wollte, dass ich mich auf etwas anderes konzentriere. Aber ich habe ihr gesagt, dass ich ohnehin weiß, was los ist. Tut dir die Schulter weh?«
»Nein, ich bin doch ein großer Mann, ganz wie ich es dir immer gesagt habe. Das hier ist so gut wie gar nichts. Ich habe mittlerweile schon richtig Übung, dass man mir ständig in den Körper schießt.«
»Ich hatte Angst, dass er dich umbringt, Ramsey«, sagte Emma. »Das Wasser war ganz rot. Ich wollte dir zu Hilfe kommen, aber diese dicke Frau hat mich festgehalten.«
Bei der Vorstellung, wie Emma genau wie ihre Mutter ins Wasser hätte springen können und vielleicht direkt auf Dickerson gelandet wäre, hätte ihm fast das Herz stillstehen lassen. »Deine Mama hat mir die Haut gerettet. Danke. Virginia, was wird eigentlich mit Dickerson geschehen?«, brachte er hervor.
»Dein Freund Dillon Savich ist auf dem Weg hierher. Die Entführung ist eine Bundesangelegenheit, also ist das FBI dafür zuständig. Er möchte persönlich mit Dickerson sprechen. Zusätzlich kommt noch ein Psychologe. Du weißt ja, dass sie solche kranken Typen wie Dickerson immer befragen. Was die Informationen betrifft, dürfte er sich als eine Art Goldmine für sie erweisen. Bist du jetzt so weit, den örtlichen Behörden eine Zusammenfassung zu liefern?«
Er sprach mit McPherson und seinem Stellvertreter, Daniel Mapes. Es dauerte ziemlich lange. Er war schon ganz blass geworden, als Mapes sagte: »Das reicht, Richter Hunt. Sollten wir noch weitere Fragen haben, werden wir Sie morgen noch einmal aufsuchen.«
»Ich dachte schon, sie würden überhaupt nicht mehr gehen wollen«, meinte Molly und trat an sein Bett. »Du siehst nicht besonders gesund aus.«
»Ich möchte eine Tasse Kaffee.«
»Ich weiß. Hier hast du eine.« Es war ein Wunder. Er beobachtete aufmerksam, wie sie den Deckel von einem Styroporbecher zog. Er nahm drei große Schlucke, dann war ihm hundeelend, und er war kurz davor, sich zu übergeben. Die Übelkeit verflog jedoch allmählich. Plötzlich ergriff ihn die Panik. »Wo ist Emma?«
»Alles in Ordnung. Sie ist bei Virginia und erzählt ihr, was genau passiert ist. Es aus der Sichtweise eines Kindes zu hören dürfte interessant sein. Aber du sollst dich noch etwas ausruhen. Es erscheint albern, dir zu erzählen, wie viel Glück du hattest, während du flachliegst und es dir schlecht geht, aber so ist es. Du wirst wieder gesund werden. Der Chirurg meinte, dass du morgen Abend schon mit mir tanzen gehen könntest. Na ja, seien wir ehrlich, vielleicht doch erst am Mittwoch.«
Molly lächelte ihn an, schloss die Tür und schlüpfte zu ihm in das schmale Krankenhausbett. Sie küsste sein Ohr, seine Nase, seinen Mund. »Du schmeckst nach Krankenhaus«, sagte sie und vergrub die Nase an seinem Hals. »Da ich in Seide gekleidet bin, scheinen sich Gegensätze tatsächlich anzuziehen.« Sie seufzte tief auf. »Ich wünschte, wir könnten Onkel Doktor spielen.«
»Molly, bitte errege mich jetzt nicht. Ich möchte mir nicht vorstellen wollen, was Schwester Hayman tun würde, wenn sie hereinkäme und mich an die Decke zeigend sähe.«
»Sie bewundert dich. Vermutlich würde sie mich von dir herunterziehen und meinen Platz einnehmen.«
»Jetzt aber genug mit dieser Flitterwochenturtelei«, ließ sich ein Mann vom Türrahmen aus vernehmen.
»Nicht halb so übel wie Schwester Hayman«, meinte Molly und hüpfte vom Bett.
Es war Dillon Savich, der von einem Ohr zum anderen grinste. Hinter ihm stand noch ein Mann, der den Eindruck machte, als ob er in seinem ganzen Leben noch nicht ein einziges Mal gegrinst hätte. Er wirkte steif und hager wie ein mittelalterlicher Mönch. Ein dünner Kranz grauer Haare zierte seinen Kopf.
»Hallo Ramsey. Schön, dass es dir wieder so gut geht, dass du Molly küssen kannst. Leute, das hier ist Thomas Galviani, auch als >Tommy, das Auge< bekannt. Ein Spezialist in Sachen Kindesmissbrauch. Er ist einer der weltweit besten Experten. «
Die Miene des Mannes zeigte keinerlei Regung. Er nickte lediglich und schüttelte Ramsey die Hand. »Savichs Ansicht nach bin ich viel zu ernst, aber das stimmt gar nicht. Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Richter Hunt. Ich habe gelesen, was für eine bewundernswerte Tat Sie im Gerichtssaal mit den Drogenhändlern vollbracht haben. Bei mir im Büro reden heute noch alle darüber. Ich bin außerordentlich glücklich darüber, dass diesmal unser
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