Vergeben, nicht vergessen
abrollen.
Sie kannte sich aus. Wer hatte es ihr beigebracht? Ihre Mutter? Er rief: »Und nun lass ihn laufen!«
Sie rannte über die flache Wiese, wobei sie weiter Schnur nachließ. Als der Wind in den Drachen griff, ließ er ihn los. »Jetzt fliegt er!«, rief er aus. Sie blieb stehen, lehnte sich etwas zurück und zog die Schnur ein wenig nach links. Der bunte Schwanz schlug einen großen Kreis.
»Toll! Zeig mir noch mehr!«
Sie konnte viel besser Drachen steigen lassen als er. Das Kind hatte richtig Talent. Er beobachtete, wie sie ihre Hand erst in die eine, dann in die andere Richtung bewegte und sie dann herumriss. Der Schwanz des Drachen peitschte und drehte sich, rollte sich auf, entrollte sich wieder und lag lang und glitzernd in der Luft. Er wusste nicht, wie sie es zuwege brachte, aber sie drehte ihre Hand nach hinten, zupfte ein wenig hin und her, und der schimmernde Schwanz bäumte sich ganz wie der eines Drachen auf.
Wer auch immer es ihr beigebracht hatte, musste ein Könner gewesen sein.
Sie machte keinerlei Geräusche, aber sie schien sich prächtig zu amüsieren. Er stand da und beobachtete sie. Noch nie zuvor hatte er zwölf Dollar so gut investiert.
Schließlich setzte er sich auf der Treppe der Hütte, ohne sie jedoch aus den Augen zu lassen.
Die Zeit und seine Gedanken schienen stehen zu bleiben, nur das Kind mit seinem Drachen auf der Wiese inmitten der leuchtenden Akelei blieb übrig.
Plötzlich hörte er in die Stille hinein klar und deutlich einen Schuss. Der Drachen kippte, stürzte zu Boden und landete in einem Busch. Sie zögerte nicht einen Augenblick, sie wandte noch nicht einmal den Blick, sondern rannte so schnell sie konnte zu ihm zurück.
Er war sofort bei ihr, riss sie, noch während sie rannte, hoch und hechtete mit ihr zurück in die Hütte. Ein weiterer Schuss ertönte direkt hinter ihm, genau in dem Moment, als er die Tür mit dem Fuß zugestoßen hatte. Er setzte sie hinter dem Sofa ab. »Bleib hier, beweg dich nicht.«
Er klemmte die Pistole in den Gürtel und nahm sein Gewehr. Neben dem Fenster ging er in die Hocke und beobachtete den Waldrand, suchte nach etwas Ungewöhnlichem, etwas, das aus dem Rahmen fiel. Noch ein Schuss war zu hören, dann noch einer, doch konnte er den Einschlag der Kugeln nicht hören.
Er hörte einen Mann brüllen, dann antwortete ein anderer. Sie waren noch etwas entfernt, vielleicht fünfzig Meter, gleich hinter dem Waldrand. Sonst hörte er keine weiteren Stimmen. Es waren zwei Männer. Leise wandte er sich ihr zu.
»Bleib hinter dem Sofa, Kleines. Es wird alles gut werden. Bleib nur hier. Erinnere dich an das, was ich dir gesagt habe. Ich bin groß und stark. Wenn es sein muss, kann ich auch ziemlich gemein sein. Niemand wird dir wehtun.«
Er blickte wieder zum Fenster hinaus. Zu seiner Überraschung taumelten die beiden Männer aus dem Tannendickicht. Beide trugen ein Gewehr. Er hatte den vorderen im Visier, als er sah, dass sie lachten, sich gegenseitig stützten, während der eine sein Gewehr hinter sich herschleifte. Er fluchte wie wild. Die Idioten waren betrunken. Verdammt, hier in der Gegend war das Jagen nirgendwo erlaubt, und doch ballerten sie herum und tranken.
Der eine Mann war sehr groß und dünn, das konnte er trotz der dicken dunklen Cordhosen und der schweren dunkelbraunen Jacke sehen. Auf dem Kopf trug er eine karierte Jagdmütze. Er winkte in Richtung der Hütte und brüllte: »Hey! Ist da jemand? Tut uns Leid, wir hatten nichts Böses im Sinn.« Dann kicherte er, während der andere Mann, klein und o-beinig und mit Cowboystiefeln, sagte: »Wir haben sie für zwei Rehe gehalten. Ich habe zu Tommy gesagt, dass Rehe keine Drachen steigen lassen.«
Ramsey legte das Gewehr ab, behielt jedoch die Pistole an seiner Seite, als er durch die Eingangstür auf die Terrasse heraustrat.
Er zitterte vor Wut und hätte am liebsten die Köpfe der beiden Idioten gegeneinander geschlagen. »Was fällt euch eigentlich ein, hier oben herumzuballern? Habt ihr denn meine kleine Tochter nicht gesehen?«, brüllte er sie an.
Sie winkten ihm zu. Die betrunkenen Idioten winkten tatsächlich, als ob er sie zu einem Bier eingeladen hätte. Der große Typ rief: »Hey, Kumpel, es war ein Versehen. Wer bist du? Wir dachten, hier oben wohnt keiner. Tut uns Leid, echt.«
Der o-beinige Typ kam schweigend auf ihn zu, wobei er sein Gewehr oder seine Schlangenlederstiefel oder auch beides musterte.
»Schon lange hier oben?«
Als der Größere
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