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Vergebung

Vergebung

Titel: Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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gewidmet habe und dass der Journalismus manchmal seinen Preis verlange. Als die Schweigeminute vorüber war, sah er sich unsicher um, als wisse er nicht recht, wie er jetzt weitermachen solle.
    Dass Leute an ihrem Arbeitsplatz sterben, ist ungewöhnlich bis selten. Die Leute sollten doch bitte so viel Rücksicht zeigen, sich zum Sterben zurückzuziehen. Sie sollen entweder in die Rente oder ins Pflegeheim verschwinden, um dann plötzlich, eines Tages, noch einmal für Gesprächsstoff im Aufenthaltsraum zu sorgen. »Übrigens, hast du schon gehört, der alte Karlsson ist letzten Freitag gestorben. Ja, das Herz! Die Gewerkschaft schickt Blumen zur Beerdigung.« Doch am Arbeitsplatz, vor den Augen der Mitarbeiter zu sterben, das ist doch irgendwie indiskret. Erika spürte, was für ein Schock sich über die Redaktion gelegt hatte. Die SMP stand führerlos da. Plötzlich bemerkte sie, dass mehrere Mitarbeiter sie verstohlen ansahen. Die unbekannte Karte im Spiel.
    Ohne dazu aufgefordert worden zu sein und ohne recht zu wissen, was sie sagen sollte, räusperte sie sich, trat einen halben Schritt vor und ergriff mit lauter und fester Stimme das Wort.
    »Ich kannte Håkan Morander erst seit drei Tagen und bedaure es außerordentlich, ihn nicht noch besser kennengelernt zu haben.«
    Sie machte eine Pause, als sie aus dem Augenwinkel sah, wie Borgsjö sie musterte. Er schien verwundert, dass sie sich überhaupt äußerte. Sie trat noch einen Schritt vor. Nicht lächeln. Du darfst jetzt nicht lächeln. Dann siehst du unsicher aus. Sie hob die Stimme ein wenig.
    »Moranders plötzliches Hinscheiden wird Probleme in der Redaktion aufwerfen. Ich hätte erst in zwei Monaten seine Nachfolge antreten sollen und hatte mich ganz darauf verlassen, dass ich noch Zeit haben würde, von seinen Erfahrungen zu profitieren.«
    Sie merkte, dass Borgsjö den Mund öffnete, um etwas zu sagen.
    »Das ist nun nicht mehr möglich, und vor uns liegt eine Zeit, die große Umstellungen mit sich bringen wird. Doch Morander war Chefredakteur einer Tageszeitung, und diese Zeitung wird auch morgen erscheinen. Uns bleiben noch neun Stunden bis zum Druck und noch vier Stunden, um die Seite mit dem Leitartikel fertigzustellen. Darf ich fragen … wer von den Mitarbeitern war Moranders bester Freund und engster Vertrauter?«
    Einen Moment schwiegen alle und musterten sich verlegen. Schließlich hörte Erika eine Stimme von links.
    »Das war wahrscheinlich ich.«
    Gunnar Magnusson, 61 Jahre alt, Redaktionssekretär der Leitartikelseite und seit fünfunddreißig Jahren Mitarbeiter der SMP .
    »Jemand muss sich hinsetzen und einen Nachruf für Morander schreiben. Ich kann das nicht machen … das wäre vermessen von mir. Könnten Sie diesen Text schreiben?«
    Gunnar Magnusson zögerte einen Moment, dann nickte er.
    »Mach ich«, erklärte er.
    »Wir nehmen die ganze Seite dafür und kippen alles andere.« Gunnar nickte.
    »Wir brauchen Bilder …« Sie blickte nach rechts und entdeckte den Bildchef, Lennart Torkelsson. Er nickte.
    »Wir müssen gleich loslegen. Vielleicht werden manche Dinge in nächster Zeit ein bisschen ins Schleudern geraten. Wenn ich Hilfe bei gewissen Entscheidungen brauche, werde ich Sie um Rat fragen und mich auf Ihre Kompetenz und Erfahrung verlassen. Sie wissen, wie diese Zeitung gemacht wird, während ich noch eine Weile die Schulbank drücken muss.«
    Sie drehte sich zu Redaktionssekretär Peter Fredriksson um.
    »Peter, ich weiß von Morander, dass Sie zu den Leuten gehörten, denen er großes Vertrauen entgegenbrachte. Sie müssen in der nächsten Zeit meinen Mentor spielen und eine etwas schwerere Last tragen als sonst. Ich bitte Sie, mir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Sind Sie damit einverstanden?«
    Er nickte. Was blieb ihm auch anderes übrig?
    »Noch etwas … Morander saß heute Vormittag an seinem Leitartikel. Gunnar, können Sie nachsehen, ob er fertig geworden ist? Auch wenn er nicht ganz fertig ist, veröffentlichen wir ihn auf jeden Fall. Die Zeitung, die wir heute machen, ist immer noch Moranders Zeitung.«
    Stille.
    »Wenn jemand von Ihnen eine Pause braucht und ein bisschen allein sein und nachdenken will, kann er das gerne tun, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Sie wissen alle selbst, wie Ihre Deadlines aussehen.«
    Schweigen. Sie merkte, dass manche beinahe anerkennend nickten.
    »Go to work, boys and girls« , sagte sie leise.
     
    Jerker Holmberg hob hilflos die Hände. Jan Bublanski und Sonja Modig

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