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Vergebung

Vergebung

Titel: Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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Jonasson schloss seine Tür auf.
    »Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Es geht um eine Ihrer Patientinnen. Lisbeth Salander. Ich brauche eine Besuchserlaubnis.«
    »Hmm. Wenn das so ist, müssen Sie sich an die Staatsanwältin wenden. Lisbeth Salander ist in Untersuchungshaft und hat Besuchsverbot. Außerdem müsste so ein Besuch auch bei Salanders Anwältin angemeldet werden.«
    »Ja, ja, ich weiß schon. Ich dachte nur, wir könnten die Bürokratie in diesem Fall vielleicht umgehen. Ich bin Arzt, und daher könnten Sie mir ohne Weiteres aus medizinischen Gründen Zutritt zu ihr gewähren.«
    »Ja, das könnte sich vielleicht rechtfertigen lassen. Aber ich verstehe den Zusammenhang immer noch nicht so recht.«
    »Ich war mehrere Jahre lang Lisbeth Salanders Psychiater, als sie in der Klinik St. Stefan in Uppsala war. Ich habe sie bis zu ihrem 18. Geburtstag begleitet, als das Gericht sie wieder in die Gesellschaft entließ, wenn auch mit einem rechtlichen Betreuer. Ich sollte an dieser Stelle vielleicht erwähnen, dass ich mich damals dagegen ausgesprochen hatte. Seitdem war sie ganz sich selbst überlassen, und wohin das geführt hat, sehen wir ja heute.«
    »Verstehe«, sagte Dr. Jonasson.
    »Ich fühle mich immer noch sehr verantwortlich für sie und hätte gern Gelegenheit festzustellen, wie sehr sich ihr Zustand in den letzten Jahren verschlechtert hat.«
    »Verschlechtert?«
    »Verglichen mit ihrer Teenagerzeit, in der sie noch unter qualifizierter Betreuung stand. Ich dachte mir, wir könnten hier zu einer gangbaren Lösung kommen, unter uns Ärzten sozusagen.«
    »Wo wir gerade davon sprechen … vielleicht können Sie mir, ganz unter Ärzten, in einem Punkt auf die Sprünge helfen. Als sie hier ins Sahlgrenska eingeliefert wurde, habe ich sie eingehend untersucht. Ein Kollege hat zu diesem Zweck auch den Bericht der rechtsmedizinischen Untersuchung von Lisbeth Salander angefordert. Sie stammte von einem Dr. Jesper H. Löderman.«
    »Stimmt. Jesper hat bei mir promoviert.«
    »Verstehe. Aber ich konnte feststellen, dass der Bericht ziemlich vage ausgefallen war.«
    »Aha.«
    »Er enthielt keine Diagnose, sondern kam mir eher wie eine akademische Studie über einen schweigsamen Patienten vor.«
    Teleborian lachte.
    »Ja, der Umgang mit ihr ist nicht ganz leicht. Wie aus dem Bericht schon hervorgeht, weigerte sie sich konsequent, mit Löderman zu sprechen. Das führte dazu, dass er sich natürlich sehr vage ausdrücken musste. Was völlig korrekt von ihm war.«
    »Verstehe. Aber die Empfehlung lautete auf jeden Fall, dass sie in einer geschlossenen Anstalt verbleiben solle.«
    »Das geht auf ihre gesamte Krankengeschichte zurück. Wir haben ja schon eine mehrjährige Erfahrung mit ihrem Krankheitsbild.«
    »Und genau das verstehe ich eben nicht ganz. Als sie hier aufgenommen wurde, haben wir versucht, ihre Akte aus St. Stefan zu bekommen. Doch sie wurde uns bis heute nicht ausgehändigt.«
    »Tut mir leid. Aber die ist per Gerichtsbeschluss für geheim erklärt worden.«
    »Verstehe. Und wie sollen wir hier im Sahlgrenska-Krankenhaus der Patientin die optimale Pflege zukommen lassen, wenn wir nicht einmal Zugang zu ihrer Krankenakte haben? Denn immerhin tragen wir im Moment die medizinische Verantwortung für sie.«
    »Ich habe dieses Mädchen seit ihrem dreizehnten Lebensjahr betreut und glaube nicht, dass es einen zweiten Arzt in Schweden gibt, der so eine genaue Kenntnis von ihrem Krankheitsbild hat wie ich.«
    »Könnten Sie das präzisieren …?«
    »Lisbeth Salander leidet an einer schweren psychischen Störung. Wie Sie wissen, ist die Psychiatrie keine exakte Wissenschaft. Ich möchte mich daher ungern auf eine genaue Diagnose festlegen. Aber sie hat offensichtlich Wahnvorstellungen mit deutlich paranoid-schizophrenen Zügen. Dazu gesellen sich manisch-depressive Phasen sowie ein Mangel an Empathie.«
    Anders Jonasson musterte Peter Teleborian gründlich, bevor er mit einer resignierten Geste die Hände hob und wieder fallen ließ.
    »Ich werde mich nicht dazu versteigen, mit einem Dr. Teleborian über seine Diagnose zu diskutieren, aber haben Sie noch nie eine wesentlich einfachere Diagnose in Erwägung gezogen?«
    »Als da wäre?«
    »Zum Beispiel Asperger-Syndrom. Ich habe zwar keine psychologische Untersuchung angestellt, aber wenn ich spontan einen Tipp abgeben sollte, wäre eine Form von Autismus naheliegend. Das würde ihre Unfähigkeit erklären, sich an sozialen Konventionen zu

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