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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Hastrup
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Gerda
Eriksen zeigte auf eine geschlossene Tür am Ende der Diele. »Was hätte ich auch
sonst mit dem Zimmer machen sollen? Ich habe doch keine anderen Kinder. Jetzt
bin nur noch ich da.« Ihre Augen wurden feucht, und Rebekka musste den Kopf
abwenden und sich auf etwas anderes konzentrieren, um nicht auch in Tränen
auszubrechen. Ihr Blick fiel auf ein verblasstes Foto in einem Goldrahmen. Sie
ging näher heran. Lene saß auf einer Bank, neben ihr ein gleichaltriges
molliges Mädchen, auf der anderen Seite ein hübscher, junger Mann. Alle drei
trugen Studentenmützen und blickten fröhlich in die Kamera. Den jungen Mann erkannte
sie sofort, es war John Mathiesen, und sie vermutete, dass die junge Frau Jane
Mathiesen sein musste.
    »Jane und John waren ihre besten Freunde.« Gerda Eriksen stand neben
Rebekka und betrachtete das Foto.
    »Ich verstehe. War Lene nicht auch einmal mit John zusammen?«
    »Ja, die beiden hatten eine kurze Romanze. Dann war er wieder mit
Jane zusammen.« Gerda Eriksen bekam einen harten Zug um den Mund, und Rebekka
sah sie aufmerksam an.
    »Wie hat Lene darauf reagiert? Jane war schließlich ihre Freundin.«
    Die Frau schüttelte den kleinen Kopf, wobei die grauen Locken die
rosige Kopfhaut nicht ganz verdecken konnten.
    »Lene hat es eigentlich gut aufgenommen, aber in ihrem tiefsten
Inneren war sie unglücklich. Das weiß ich jetzt. Sie hat John geliebt.«
    »Wie haben John und Jane auf den Tod Ihrer Tochter reagiert?«
    »Sie waren total am Boden zerstört. Das waren alle.« Gerda Eriksen
holte ein Taschentuch aus der Tasche ihres Kittels und putzte sich kräftig die
Nase. »Jane und John haben mich in der Zeit nach dem Begräbnis oft besucht.
Besonders Jane war häufig hier. Mädchen können ja so rücksichtsvoll sein. Dann
haben wir in der Küche gesessen und eine Tasse Kaffee zusammen getrunken und
über Lene gesprochen, ja manchmal haben wir sogar gelacht, wenn wir alte
Erinnerungen ausgegraben haben.«
    Gerda Eriksens Augen strahlten vor Freude.
    »Mit Jane konnte man wirklich gut reden. Sie kannte Lene so gut. Sie
hat oft Kuchen mitgebracht, obwohl er für sie nicht gut war. Ich glaube, sie
hat heimlich gegessen, aber ich habe mich über den Kuchen gefreut, und das hat
sie gewusst. Diese Gespräche haben mir unglaublich geholfen«, sagte sie und
schniefte. Dann wischte sie sich mit einer runzligen Hand die Tränen fort und
sah Rebekka erschrocken an.
    »Ich habe Ihnen gar nichts angeboten, sondern heule und jammere hier
herum, obwohl es so viele Jahre her ist. Aber die Wunde in mir will nicht
heilen. Hätten Sie gerne eine Tasse Kaffee?«
    »Nein, danke.« Rebekka schüttelte energisch den Kopf. »Aber ich
würde mir gerne Lenes Zimmer ansehen, wenn das in Ordnung ist.«
    Gerda Eriksen nickte und führte Rebekka in ein kleines Zimmer, das
genau wie die restliche Wohnung in femininen Farben gehalten war. Es war ein
typisches Jungmädchenzimmer aus den Achtzigerjahren mit Duran-Duran-Plakaten
und einem großen antiken Toilettentisch, auf dem eine Haarbürste lag, in der
noch blonde Haare steckten, Lenes Haare, vermutete Rebekka, und es versetzte
ihr einen Stich. Neben der Haarbürste stand eine kleine offene Schmuckschatulle
mit Modeschmuck, als hätte ihn jemand gerade erst abgelegt. Die Studentenmütze
hing über einem weißen stummen Diener und auf der cremefarbenen
Chenille-Bettdecke saß ein abgenutzter gelber Teddy und starrte sie mit seinen
leeren schwarzen Knopfaugen an. Rebekka nahm ihn vorsichtig hoch und sah sich
um. Das Zimmer wirkte bewohnt und verlassen zugleich, ein Gefühl, das sie
kannte.
    »Wenn ich sie sehr vermisse, gehe ich in ihr Zimmer und setze mich
auf das Bett und dann, ja dann umarme ich Nalle. Er riecht noch immer ein
bisschen nach ihr.« Gerda Eriksen sah Rebekka verlegen an, und Rebekka nickte.
Robin hatte auch ein Stofftier gehabt, Steffer, eine merkwürdige Mischung aus
Teddybär und Hund. Braun gestreift. Robin liebte Steffer und trug ihn fast
immer mit sich herum, nur nicht an dem besagten Sonntag.
    »Ich habe bei Ihnen angerufen …« Gerda Eriksen verstummte kurz und
sah verlegen zu Boden. »Ich habe angerufen, weil alle Gedanken und Erinnerungen
an damals wieder hochgekommen sind, jetzt, wo Anna Gudbergsen ermordet worden
ist. Das Verbrechen erinnert mich so sehr an den Mord an meiner Tochter. Ich
frage mich, ob es einen Zusammenhang gibt.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich weiß es nicht.« Gerda Eriksens Zigarillo war ausgegangen, und
sie

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