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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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als ein zu allseitiger Zufriedenheit aufgeklärtes Verbrechen und ein gerechter Urteilsspruch.«
    Ich lenkte Emma in den Schwanentunnel Richtung Stadtmitte. Wir überquerten die Grenze zwischen Cannstatt und Stuttgart. Krk studierte seine Adressenliste.
    »Ich schlage vor«, sagte er nach einer Weile, »wir schauen uns mal die Leiche in Sindelfingen genauer an. Da war ein Messer im Spiel. Das war im Oktober vor zwei Jahren. Im August vor zwei Jahren verschwand die Frau in Böblingen und im November vor einem Jahr die Rumänin in Herrenberg. Und dann gibt es noch die Botnanger Geschichte, wo vor zwei Jahren eine Siebzehnjährige herumgezerrt wurde und Anwohner Schreie hörten. Die Leiche wurde auch nie gefunden. Alle diese Orte liegen im Umfeld von Böblingen und sind mit Auto oder Straßenbahn leicht erreichbar.«
    »Dann fangen wir doch in Böblingen an«, schlug ich vor. »Wo wohnte die Vermisste?«
    »Lerchenstraße 1. Dabei könnten wir auch gleich Uwes Mutter besuchen. Aber heute Abend nicht mehr!«
    Wir kamen am Neckartor heraus. ADAC und Arbeitsamt. Links wohnte ich in der Neckarstraße. Krk war nach der Telefonnummer zu schließen oben in Degerloch zu Hause. Vom Neckartor aus, einer reinen Asphaltwüste für sich kreuzende Verkehrsströme, schwuppte die Stadtautobahn zwischen Staatsgalerie und Landtag und unter den großen Kreuzungen hindurch in den Westen. Ich fädelte am Charlottenplatz heraus. Nach den Häuserschluchten zum Bobser hin gewann die Neue Weinsteige freien Blick über die Stadt. Immer noch und immer wieder schön.
    Krk dagegen stierte auf seine Liste und brütete. Ich dachte an Sally. Der erotische Höhepunkt ihrer verzwickten Beziehungen zu Männern war nicht der Moment, wo man sich ansah, sondern der, wo beide in dieselbe Richtung blickten. Für Thomas Mann war’s der fließende Blick aus törichten Weiberaugen. Für Hedwig Courts-Mahler die stahlblaue Schärfe unter Männerstirnen. Und wenn die Frau erblickte, was der Mann an ihrer Seite mit den Augen suchte, dann stimmte die Ehe. Eigentlich machte der Blick den kleinen Unterschied.
    Krk schaute hoch. »Wohin fahren wir eigentlich?«
    »Sie müssen mir nur noch sagen, wo Sie wohnen.«
    »Felix-Dahn-Straße.«
    Ich latschte auf die Bremse und wechselte auf die Linksabbiegespur. Krk krampfte sich zusammen. Die Ampel war rot. Krk atmete aus. Die Ampel sprang auf Grün, und ich ließ Emma hüpfen, die steile Pfaffstraße hinauf in den alten Kern von Degerloch. »Links oder rechts?«
    »Rechts. Aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Stopp!«
    Ich setzte den Blinker und hielt auf einem freien Parkplatz an einer Parkuhr. Es war eine Gegend, wo man, wenn man einen Parkplatz brauchte, am besten nachts einkaufen ging. Vor uns die Mündung zur Hauptstraße. Rechts ein paar schummrig erleuchtete Ladenbaracken. Links ein Ärztehaus. Ein Betrunkener torkelte zwischen Parkuhren und Schaufenstern und warf sich beherzt zwischen zwei parkende Autos, kroch auf die Straße hinaus und richtete sich zwei Autos vor uns wieder auf. Ich checkte seine Zielrichtung ab. Demnächst würde er über Emma stolpern. Krk, der nicht gewohnt war, die Wege Entgegenkommender abzuschätzen, griff nach dem Türhebel, hielt aber plötzlich inne und holte Luft: »Ich …«
    Da prallte der Besoffene auf meinen Kühler. Er glotzte. Er hangelte sich weiter und patschte mit der Hand auf mein Seitenfenster. Krk flutschte aus dem Auto, hechtete um den Kühler und pflückte den Betrunkenen vom Lack. Der gurgelte und schüttelte die Fäuste.
    Ich stieg aus.
    Krk drehte den Besoffenen die Straße abwärts. Doch der war obstinat und wankte zum Gegenangriff. Krk, der wohl fürchtete, ich könnte ihm zu Hilfe eilen, fing den Kerl ab und transportierte ihn auf die andere Straßenseite, wo er ihn gegen die Hauswand lehnte. Von dort trollte sich der Mensch dann. Krk kam zurück. Ich schmunzelte über seine Fürsorge. Vermutlich hatte er sich gelegentlich in einer ähnlich misslichen Lage befunden.
    Krk wischte sich die Hände am Gesäß ab, fuhr sich durch die Haare und holte erneut Luft. »Lisa, ich muss Ihnen etwas sagen.«
    »Lieber nicht.«
    »Hören Sie, ich glaube, ich … ich habe mich in Sie verliebt. Nein, sagen Sie nichts! Ich wollte nur, dass Sie es wissen, bevor es zu Missverständnissen kommt. Ich musste Sie heute Abend sehen … Der Besuch bei Susanne Schäufele hätte ja durchaus bis morgen Zeit gehabt. Ich wollte einfach nur … ich wollte Sie bitten …«
    Es war

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