Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
in die Hocke, packt Baseyews Handgelenk und zieht es zu sich runter, dann umklammert er Baseyews Knöchel mit der anderen Hand und lässt sich mit seinem gesamten Gewicht fallen. Baseyew knallt auf den Boden.
Aber Dave fällt dabei die Pistole aus der Hand. Er wirbelt herum und rammt Baseyew ein Knie ins Gesicht. Der Tschetschene ist größer, jünger und stärker. Er windet sich aus der Umklammerung, wirft Dave herum und versucht, ihm die spitze Klinge in die Kehle zu rammen.
Dave packt erneut die Messerhand.
Baseyew schiebt.
Wenn es darauf hinausläuft, wer der Stärkere ist, wird Dave verlieren.
Baseyew weiß das und grinst.
Dave kann die Wunde sehen – eine Glasscherbe über Baseyews linkem Auge. Durch die Anstrengung läuft ihm Blut übers Gesicht und tropft auf Dave runter.
Die Messerspitze bohrt sich Dave in die Kehle.
Der Tod ist so nah, aber …
Das ist einer der Männer, die seine Frau getötet haben.
Seinen Sohn.
Der Mann, der seine Familie vom Himmel stürzen ließ.
Er wird sich dem Tod nicht ergeben.
Dave lässt das Messer los, verschränkt die Hände in Baseyews Nacken, zieht die Knie an, holt mit der Hüfte aus und stößt Baseyew von sich weg. Rollt ab, kniet sich auf Baseyews Messerhand, entwindet es ihm mit der linken und rammt ihm die rechte Faust ins Gesicht.
Einmal.
Zweimal.
Ein drittes und ein viertes Mal.
Es fühlt sich so verdammt gut an, ihm die Fresse zu zertrümmern, zu spüren, wie Haut, Knochen und Knorpel unter den Schlägen nachgeben, und er schlägt und schlägt immer wieder, dann hält er inne …
Nimmt die Glasscherbe über Baseyews Auge und zieht sie – durch den Augapfel.
Baseyew schreit.
Dave steigt von ihm runter.
Baseyew fasst sich ans Auge, rappelt sich langsam auf die Knie, gebückt. Dave tritt ihm ins Gesicht, treibt die Scherbe tiefer ins Fleisch.
»Wo ist Aziz?!«
»Ich weiß es nicht!«
Dave tritt ihm erneut ins Auge.
Schreiend steht Baseyew auf und torkelt davon, Blut strömt aus seiner Augenhöhle. Dave packt ihn hinten am Hemdkragen und tritt ihm in die Kniekehlen, wirft ihn erneut zu Boden.
Baseyew liegt da, zusammengekauert, stöhnend, während Dave die Pistole nimmt und auf ihn richtet.
Baseyew blickt auf.
»Bitte. Bitte. Nicht. Gnade.«
Dave denkt an Jake und Diana.
An die Angst, die sie gehabt haben müssen.
Das Grauen.
Er lässt die Waffe fallen.
Packt Baseyew, hebt ihn hoch.
Schleppt ihn zum Rand des Dachs.
Und wirft ihn runter.
✦
Während sie die Treppe nach unten laufen, lässt Michel sein FAMAS-Sturmgewehr wieder unter dem Gewand verschwinden.
Er öffnet die Tür und tritt mit Amir in die Lobby, wo jetzt absolutes Chaos herrscht. Menschen liegen auf dem Boden, andere plappern in Handys. Die Mitarbeiter ducken sich hinter den Empfangsschalter, die Kellner unter die Tische.
Michel und Amir gehen einfach durch und zur Hintertür hinaus.
Michel sagt in sein Mikro: »Echo eins, bitte melden.«
Keine Antwort.
»Echo eins, bitte melden.«
Stille.
Jetzt sind sie auf der Straße.
Aber wo ist Simon?
Mit Ruhe und Bedacht lädt Ulrich den Granatwerfer.
Dieses Mal mit einer Rauchbombe – Kaliumchlorid, das durch vier Löcher im Metallgehäuse entweicht.
Er zielt auf das Hotel.
Drei Sekunden später explodiert sie, erfüllt die Luft mit dichtem, weißem Rauch. Schon wahr, denkt er, es gibt wirklich nur wenige Probleme, die sich nicht mit dem gekonnten Einsatz von Sprengstoff lösen lassen.
»Charlie zwei«, sagt er. »Rückzug.«
Dann steckt er das HK416 wieder in die Sporttasche und entfernt sich von der Rauchwolke. Geht in der Menge unter, lässt die Gasmaske unauffällig fallen und strebt Richtung Metrostation.
Lev taucht an seiner Seite auf.
Sie gehen weiter, Polizeiwagen und Feuerwehrautos kommen ihnen entgegen. Ein Hubschrauber kreist über ihnen.
Mit Chaos auf Erden erreicht man große Ordnung.
Alessandro und Willem kommen über den Notausgang in die Seitenstraße.
»Echo zwei«, sagt Willem in sein Mikro.
»Auf Posten«, erwidert Cody.
Er fährt mit dem Porsche in die schmale Seitenstraße, und die beiden Männer steigen hinten ein.
»Wohin soll die Reise gehen, Gentlemen?«, fragt Cody.
Und tritt aufs Gas.
Kein Simon.
Nicht zu sehen, nicht zu hören.
»Wir gehen«, sagt Michel.
Er entfernt sich mit Amir vom Schauplatz, und sie gehen mit Donovan Richtung Treffpunkt.
Sie steigen in den Transporter, und Donovan sieht Amir an. »Warum bist du hier? Wo ist Collins?«
Dave benutzt den Notausgang.
Er
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