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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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vor.
    »Meinst du? Laut Sergeant Dean wohnen sie da seit mindestens zehn Jahren.«
    »Bei manchen Leuten ist es eine selbstverständliche Angewohnheit, ihre Spuren zu verwischen. Sie machen es, einfach weil sie es können, nicht aus irgendeinem speziellen Grund.«
    »Ich werde Stacey darauf ansetzen.«
    »Gut. Es würde mir guttun, wenn heute Abend wenigstens irgendetwas klappen würde.«
    »Geht’s dir nicht gut?«
    »Ich habe Angst, Paula. Ich glaube, dass Carol gerade in ihr sicheres Unheil rast, und ich weiß nicht, ob ich sie aufhalten kann.«
    »Das klingt ein bisschen arg melodramatisch, Tony«, entgegnete Paula behutsam. »Und die Chefin steht nicht auf Melodramen.«
    »Ich fürchte, heute Nacht haben wir womöglich eine Ausnahmesituation.«
    »Kann ich irgendetwas tun?«
    »Nein, und ich möchte auch nicht, dass du irgendetwas versuchst. Du musst Eric Fletcher festnehmen.«
    »Der kann warten.«
    Tony seufzte. »Paula, da bin ich mir ehrlich gesagt gar nicht so sicher. Seine Handlungen eskalieren ständig, die Abstände zwischen den Morden werden kürzer, und die Risiken, die er bei der Auswahl seiner Opfer in Kauf nimmt, werden größer. Er steht kurz vor einem Wendepunkt. Wenn Kerry nicht bald auf seine Forderungen eingeht, hat er keine Alternativen mehr.«
    »Und was dann? Bringt er sich dann um? Ich wünsche ihm viel Glück dabei, wenn er das vorhat«, entgegnete sie verächtlich. Paula scherte sich in viel geringerem Maße als Carol darum, ob die bösen Jungs am Leben blieben oder nicht. Sie hatte immer geglaubt, das sei so, weil sie mehr verloren hatte als ihre Chefin. Doch vielleicht stimmte das gar nicht. Vielleicht waren sie ganz einfach in diesem Punkt vollkommen unterschiedlich.
    »Wenn er sie nicht dazu bringen kann, aus Angst heimzukommen, dann wird er sie heimholen«, erklärte Tony.
    Ein langer Moment des Schweigens trat ein, während Paula verdaute, was Tony angedeutet hatte. »Dann nerve ich mal besser Stacey wegen dieser Adresse«, sagte sie leise.
    »Tu das. Ich würde gern ohne weiteres Blutvergießen durch diese Nacht kommen.«

    Carol fuhr mit solchem Tempo über die Rüttelschwelle, dass der Wagen ins Schleudern geriet und sie das Lenkrad fester packen musste, um in der Spur zu bleiben. Sollte jemand sie durch die Verkehrsüberwachungskamera beobachten, deren Lichter rot über ihr funkelten, dann würde der Betreffende wahrscheinlich sofort den Alarmknopf drücken. Bewohner abgeschlossener Siedlungen wie Vinton Woods zahlten teures Geld für ihren Sicherheitsdienst, gerade weil sie nicht wollten, dass Verkehrsrowdys mit fünfzig Meilen pro Stunde über Rüttelschwellen bretterten und ihre Straßen unsicher machten. Carol trat auf die Bremse, bemüht, sich mit Rücksicht auf ihre hochanständige Umgebung angemessener zu verhalten.
    Als sie an den Häusern im Queen-Anne-Stil vorbeifuhr, bemerkte sie keinerlei Lebenszeichen. Einige Fenster waren zwar beleuchtet, und in mehreren Einfahrten standen auch Autos. Aber das einzige Lebewesen, das sie zu Gesicht bekam, war ein ängstlicher Fuchs, der sich schnell aus dem Strahl ihrer Scheinwerfer verkrümelte, als sie um die Ecke bog. Vance war ein kluger Schachzug gelungen, das musste sie anerkennen. Menschen, die eine dermaßen seelenlose Existenz bevorzugten, würden es einfach nicht bemerken, wenn ein entflohener Sträfling und Serienmörder nebenan einzog, solange er ein schickes Auto fuhr und es nicht wagte, an ihre Tür zu klopfen, weil ihm die Milch ausgegangen war.
    Sie hielt am Straßenrand und konsultierte die Karte, die sie auf ihr Smartphone geladen hatte. Vinton Woods war noch zu neu, um auf dem Navi ihres Wagens zu erscheinen, jedoch hatte die Baufirma auf ihrer Internetseite einen Plan veröffentlicht. Sie tüftelte aus, wie weit sie noch von Vance’ Haus entfernt war, und fuhr weiter. Minuten später bog sie in die Sackgasse ein, in der sein Haus stand. Sie versuchte, den Anschein zu erwecken, dass sie falsch abgebogen war, wendete in der Einfahrt eines Nachbarn und fuhr dann schnurstracks zurück zur Hauptstraße.
    Der kurze Blick, den sie hatte riskieren können, hatte ihr nicht verraten, ob Vance anwesend war. Carol fuhr weiter bis zum Ende der Straße und ging ihre Möglichkeiten durch. Sie wollte sich das Haus näher ansehen, doch das würde nicht leicht werden. So etwas wie Passanten gab es hier nicht. Niemand spazierte hier durch die Gegend, da es hier kein Ziel für einen Spaziergang gab. Auf der Straße waren keine

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